Schöner wäre schon schön

Ein 1:5 in Rumänien bringt den deutschen Fußball in Wallung. Der reagiert mit kohlscher Strategie: Abhaken, Weitermachen, Aussitzen. Und hat Recht damit: Was bleibt ihm sonst schon anderes übrig?

VON THOMAS WINKLER

Es war etwas geschehen, so viel wurde schnell klar. Im Gegensatz zu manch anderem Fußballspiel waren sich die Akteure anschließend sofort einig mit ihren Beobachtern. Man hatte gesehen: ein „Debakel“ (Oliver Kahn), eine „Lektion“ (Franz Beckenbauer), eine „Blamage“ (Paul Freier), ein „Übel“ (Jens Nowotny), eine „Katastrophe“ (Exprofi Andreas Möller), sogar eine „große Blamage“ (Ehrenspielführer Uwe Seeler). Auch am nächsten Tag hatte sich in der Presse diese Einschätzung nicht grundsätzlich gewandelt: „Untergang“ (FAZ), „Fußball-Schande“ (Bild), „Debakel“ (Berliner Zeitung), „Peinliche Packung“ (Süddeutsche Zeitung). Diese Sicht der Dinge bekam schließlich sogar ihren höchst innenministerlichen Segen: „Blamable Vorstellung“ (Otto Schily).

Viele Worte für eine einzige Niederlage, ein allerdings in dieser Höhe und Form dann doch ziemlich schockierendes 1:5 in Rumänien, das auch noch kein so geschickt platzierter Ausbruch des Teamchefs samt Medienschelte noch hätte verdecken können. Rudi Völler versuchte sich denn auch in anderer Taktik, sprach von einer „Formation, die wohl nie wieder so zusammen spielen wird“, und nahm so weit wie möglich die Schuld auf sich: Seine Idee, den kurzfristigen Ausfall von Jens Nowotny in der Innenverteidigung mit dem für den Einsatz in einer Viererkette wenig tauglichen Carsten Ramelow zu kompensieren, hätte für „ein bisschen Unordnung“ gesorgt und schließlich zu „totaler Verunsicherung“ geführt. So kann man es sehen. Man kann aber auch sagen: Die Rumänen waren ziemlich genau diese vier Tore besser.

Eines immerhin muss man zugeben: Das DFB-Team hat in Bukarest etwas geleistet. Nicht nur hat man einige hübsche historische Statistiken aufgebessert (die höchste Auswärtsniederlage seit 73 Jahren), man hat vor allem das eigene Image verbessern können. Vom in den Köpfen vorherrschenden Bild des ebenso unansehnlichen wie vom Glück verfolgten Rumpelfußball ist nun nur mehr erstere Komponente aktuell.

Eigentlich aber war alles wie immer: Technische Unzulänglichkeiten verhinderten einen geregelten Spielaufbau, Verteidiger staksten steif hinter wendigen Angreifern her, allen fehlte das, was der eigene Teamchef den „Tick Grundschnelligkeit“ nannte. Kurz zusammengefasst: Ein momentan im Umbruch befindlicher Gegner, nicht qualifiziert für die EM und ohne seine besten Spieler angetreten, war physisch und psychisch überlegen, technisch und technisch besser als die DFB-Mannschaft. Fragt sich, mit welchen Qualitäten man bei der EM den Gruppengegnern Niederlande, Tschechien und selbst Lettland die nötigen Punkte zum Erreichen des Viertelfinales entwenden will.

Hier kommt, wie zu erwarten, die typischste aller deutschen Eigenschaften ins Spiel. Nein, es ist nicht der legendäre eiserne Wille. Es ist die in 16 Jahren Kohlherrschaft ausgiebig kultivierte Fähigkeit, noch das drängendste Problem erfolgreich auszusitzen. Die ersten Vorschläge kamen schon kurz nach Schlusspfiff: „Abhaken“ will DFB-Präsident Gerhard Mayer-Vorfelder, Jens Jeremies hat einen „Schuss vor den Bug zur rechten Zeit“ erkannt, und Fredi Bobic will „mitnehmen, dass man – wie nach dem 1:5 gegen England – wieder aufstehen kann“. Die von Bobic angesprochene WM-Qualifikations-Heimniederlage im September 2001, der die überraschende Vizeweltmeisterschaft folgte, musste auch für Völler als Hoffnungshalm herhalten: „Auch aus solchen Spielen muss man Lehren ziehen.“ Doch die einzige Schlussfolgerung aus dem Auftritt von Bukarest wäre es, dem Vorschlag der rumänischen Presse Folge zu leisten, und dem Gegner vom Mittwoch den Startplatz bei der EM zu überlassen. Da dies zwar ein hübscher Gedanke ist, aber kaum zur Debatte steht, bleibt eh nur eines: Einfach weitermachen, wie wir Deutschen es gelernt haben. Ein schönerer Fußball wäre schön, aber einen besseren als diesen haben wir nun mal nicht.

Rumänien: Lobont – Stoican, Iencsi, Chivu (34. Ghionea), Rat – F. Petre (77. Contra), Radoi, Plesan (77. O. Petre), Dica (69. Caramarin) – Ganea (83. Niculae), Danciulescu (69. Neaga) DFB: Kahn (46. Hildebrand) – Friedrich, Ramelow, Jeremies, Lahm – Hamann, Ernst (77. Kehl) – Schneider, Frings (46. Freier) – Bobic (61. Neuville), KuranyiZuschauer: 15.000, Tore: 1:0 Plesan (21.), 2:0 Rat (23.), 3:0 Danciulescu (35.), 4:0 Danciulescu (43.), 5:0 Caramarin (83.), 5:1 Lahm (88.)