: Besser büffeln mit Bio-Pellkartoffeln
Die Grünen fordern, dass in mehr Schulen Biokost auf den Tisch kommt. Senatsschulverwaltung hält das für unrealistisch. In der Kreuzberger Waldorfschule ist die Vollwertpizza schon Standard – zum Leidwesen einiger Kinder
Bio-Frust bei den Kids: Bio-Bulgurauflauf, Bio-Vollwertpizza oder Bio-Pellkartoffeln? Sebastian, Sechstklässler der Freien Waldorfschule Kreuzberg, verdreht nur die Augen. „Ich würde auch gerne mal was Normales essen.“ Dann fügt der Zwölfjährige entrüstet hinzu: „Fleisch habe ich hier noch nie gesehen. Aber so ist das eben.“
Mathelehrer Wolfgang Borning hingegen ist völlig enthusiastisch. „Wir haben die beste Schulküche in Berlin.“ Nicht nur die „ausgezeichnete Qualität“ der zu 98 Prozent aus biologischem Landbau stammenden Produkte sei wichtig, sondern ebenso, „dass das Thema Ernährung fester Bestandteil des Unterrichts ist“. Auch die Berliner Grünen halten die Verpflegung an der Waldorfschule für vorbildlich – und wollen, dass künftig mehr Schulen Biokost anbieten. Den entsprechenden Antrag haben sie bereits ins Parlament eingebracht.
„Auch ein Motor funktioniert nur mit dem richtigen Benzin“, sagt Claudia Hämmerling, die grüne Sprecherin für Verbraucherschutz. „Kinder, die bewusst und gesund ernährt werden, haben als Erwachsene weniger gesundheitliche Probleme.“
Für ihr Konzept „Vollwertpizza und Co.“ hat die Waldorfschule bereits im März den „Biostar Wettbewerb 2003“ gewonnen, der gesunde Schulverpflegung honoriert. „Wir verstehen das Essen als Schulfach und hinterfragen das ebenso wenig wie den Mathe- oder Deutschunterricht“, erklärt der Pädagoge Borning. Statt wie zu Beginn 1985 täglich nur für 20 Schüler vollwertig zu brutzeln, kocht das Team um die Küchenleiterin Dorothee Brosi-Burmann heute für etwa 350 Waldörfler. „Ich versuche aber den moralischen Duktus möglichst zu vermeiden“, sagt sie. Statt großer Überzeugungsreden setzt sie auf freiwilligen Genuss: „Besonders die Zehn- bis Zwölfjährigen schimpfen manchmal: ‚Nie wieder Hort-Essen!‘ Spätestens in der achten Klasse kommen sie dann aber wieder regelmäßig.“
Laut Grünen-Fachfrau Hämmerling beweist die Schule, „dass ein gesundes Vollwertmenü mit Bioprodukten möglich ist und den Schülern so gut schmeckt, dass sie sich nach den Ferien mit Heißhunger darauf stürzen.“ Ein Essen kostet übrigens durchschnittlich 3,40 Euro – Erwachsene zahlen 1,40 Euro mehr.
Mit ihrer Forderung, Biokost landesweit anzubieten, wollen die Grünen zwei Entwicklungen stoppen: die stetige Zunahme falsch ernährter Kinder und die steigenden Krankenkassenkosten. Bei der Umstellung könnte der ohnehin anstehende Ausbau von Ganztagsangeboten an Schulen helfen, meinen sie.
Dagegen hält Thomas John, Sprecher der Senatsschulverwaltung, die Durchsetzung einer einheitlichen Schulspeisung für unrealistisch: „Eine gesunde und ausgewogene Ernährung ist selbstverständlich. Es muss aber dennoch bei individuellen Lösungen bleiben.“ Es dürfe nicht sein, dass den Schul- und Kitaeinrichtungen bestimmte Produkte vorgeschrieben werden.
BEATE WAGNER