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Archiv-Artikel

Trittin will Pfand vereinfachen

Kabinett beschließt Novelle des Dosenpfandes. Handel dagegen: Er verlangt Ausnahme für PET-Flaschen. Zustimmung des Bundesrates wahrscheinlich

BERLIN taz ■ Das Kabinett beschloss gestern einen zweiten Anlauf in Sachen Dosenpfand. Die Minister billigten die von Jürgen Trittin (Grüne) eingebrachte Novelle. Demnach soll das Pflichtpfand auf Dosen und Einwegflaschen künftig nicht nur für Bier, Limonade und Mineralwasser gelten, sondern für alle anderen gängigen Getränke. Ausnahmen sind allein für Wein, Sekt, Babygetränke und Milchmixgetränke vorgesehen. Zudem sollen Getränkekartons grundsätzlich pfandfrei bleiben, weil diese Verpackungen mit Mehrwegflaschen ökologisch gleichwertig sind. Die Pfandhöhe soll bei 25 Cent bleiben beziehungsweise 50 Cent für Flaschen mit mehr als 1,5 Liter.

Trittin lobte seinen eigenen Entwurf als „verständlicher“ für die Verbraucher und sicherer für die Wirtschaft. Denn mit der Novelle würden die fortgesetzten Mehrwegquoten-Erhebungen überflüssig, von denen bisher das Pfand in der jeweiligen Getränkesparte abhängig war. Der Sprecher des Einzelhandelsverbandes HDE, Hubertus Pellengahr, verlangte dagegen eine Aussetzung der Pfandpflicht bis zur Entscheidung über die Novelle. Außerdem möchte er die PET-Wegwerfflaschen als ökologisch gleichwertig mit Mehrweg gedeutet sehen, dies sei wissenschaftlich „zum Greifen nahe“, erklärte der Handelssprecher. Der Handel wünscht sich ohnehin eine Abgabenlösung anstelle des Pfandes.

Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) dagegen begrüßt die Novelle. DUH-Geschäftsführer Jürgen Resch forderte den Bundesrat auf, „parteitaktische Blockaden zu vermeiden“. Bereits vor zwei Jahren scheiterte eine fast identische Novelle der Verpackungsverordnung am Widerstand der Union und am persönlichen Einsatz des heutigen Wirtschaftsministers Wolfgang Clement (SPD). Damals hatte sich Trittin zwar im Vorwege der Zustimmung der Landesumweltminister versichert. Die wurden jedoch in zentralen Bundesländern nach heftigen Interventionen der Einwegindustrie kurz vor der Abstimmung von ihren Kabinetten überstimmt. Diesesmal holte sich Trittin direkt die Zusagen der Regierungen in München, Düsseldorf und Stuttgart. Dieses Mal könnte die Novelle deshalb auch gelingen.

Während gestern der Chef der Holsten-Brauerei über einen 70-prozentigen Einbruch beim Absatz von Einweg-Bier klagte, sprach Umweltminister Trittin von 10.000 neuen Jobs in der Mehrwegbranche.

Auch das Duale System Deutschland klagte gestern über das Pfand: Durch die Rücknahmepflicht entgehen ihm jährlich 310 Millionen Euro Lizenzgebühren, die der Kunde zahlt und die jetzt beim Handel bleiben.

Derweil mehren sich die Hinweise, dass Metro und Tengelmann ihre Dosen nicht so schnell aus den Regalen räumen wie angekündigt. Deshalb wollen DUH, Getränkefachhändler und Privatbrauereien prüfen, ob sie die Handelskonzerne nun doch abmahnen.

MATTHIAS URBACH

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