: Knatsch ums Semesterticket
Der Verkehrsverbund will die Preise für das Studententicket drastisch erhöhen. Die neue Verkehrssenatorin Junge-Reyer will nun alle an einen Tisch holen. Die Zeit drängt
Ingeborg Junge-Reyer ist kaum im Amt, da wird die neue Senatorin für Stadtentwicklung schon als Schlichterin gebraucht. Der Verkehrsverbund Berlin Brandenburg (VBB) kann sich mit den Studentenvertretern nicht auf die Preiserhöhungen für das Semesterticket einigen. Dabei drängt die Zeit, besonders an der Freien Universität (FU), weil die Rückmeldeformulare für das nächste Semester gedruckt werden müssen. Mit der Rückmeldung wird auch das Ticket bezahlt. Dafür müssten allerdings die Preise feststehen. Ohne Preis kein Ticket. Studenten würden, wie noch vor gut zwei Jahren, wieder monatlich Azubi-Fahrscheine am Automaten lösen. Deshalb soll nun Junge-Reyer ran. „Die Senatorin ist fest entschlossen, alle an einen Tisch zu holen und Tacheles zu reden“, sagt ihre Sprecherin Petra Reetz.
Der VBB möchte die Ticketpreise von derzeit 115 auf zunächst 132,30 Euro und im Sommersemester 2005 dann auf 152,20 Euro erhöhen. So viel muss das Ticket nach Angaben des Verbundes der Verkehrsunternehmen der Region kosten, wenn es sich rechnen soll. Das zumindest behauptet ein Gutachten, das der Verbund im vergangenen Herbst in Auftrag gegeben hatte. Studentenvertreter an den drei Berliner Universitäten halten die Preise für überteuert. Vor allem kritisieren sie, dass sie die Kriterien, nach denen ausgewertet wurde, gar nicht einsehen konnten. „Solange die Begründung fehlt, wie diese horrenden Preise zustande kommen, werden wir nicht zustimmen“, verkündet Mathias Hofmann, stellvertretender Asta-Vorsitzender der Technischen Universität.
Selbst wenn die Verhandlungsführer auf das Angebot eingingen, müsste der Rest der Studierendenschaft die Erhöhung erst noch in einer Urabstimmung absegnen. So verlangt es das Berliner Hochschulgesetz, wenn die Preise um mehr als fünf Prozent steigen. An FU und TU ist es dafür schon zu spät, die Fristen sind abgelaufen. An der Humboldt Universität wird noch beraten. „Wenn das zeitlich klappen sollte, müssten wir uns aber überschlagen“, sagt Anita Röder vom ReferentInnenrat.
Nicole Eschner, Semesterticketbeauftragte des FU-Asta, beklagt ein „bewusstes Hinauszögern“ von Seiten des VBB. Schließlich hätten die FU-Studenten erst im Januar per Urabstimmung eine Preiserhöhung akzeptiert. Hätte das Verkehrsunternehmen das aktuelle Angebot zuvor präsentiert, wäre alles in einem Urnengang zu regeln gewesen. Stattdessen habe es die neuen Forderungen unmittelbar nach der Abstimmung gestellt. Eine Sprecherin des Verbunds beteuert, das Gutachten sei vorher nicht fertig gewesen. Auch der VBB wolle sich einigen.
Für eine Einigung müsste die Preiserhöhung aber unter fünf Prozent liegen, damit der Paragraf zur Urabstimmung nicht greift. Wenn ab 10. Mai die FU- Rückmeldeformulare ohne Ticketgebühr gedruckt werden, befürchtet Eschner, ist ohnehin alles zu spät. „Das Einzige, was jetzt helfen kann, ist ein Wunder bei der Senatsverwaltung“, sagt sie.
Auch Matthias Hofmann hofft, dass die Senatorin „im Sinne der Studenten handelt“. Das bedeutet für ihn vor allem, den VBB unter Druck zu setzen. „Wenn sich da preislich nichts bewegt, sieht es düster aus.“ Der Asta müsse die Preise schließlich auch politisch vertreten können. Nicht zuletzt vor den Studenten, die die öffentlichen Verkehrsmittel gar nicht nutzten. Denn Radler, Fußgänger und Autofahrer zahlen auch. Bei einer derart deutlichen Preissteigerung wäre Hofmann zufolge außerdem ein höherer Beitrag für den Solidarfonds nötig, der diejenigen Studenten unterstützt, die sich das Ticket nicht leisten können. Zurzeit liegt der Fonds bei einem Euro.
Sollten die Verhandlungen platzen und es tatsächlich in Zukunft kein Semesterticket geben, dann würden alle „zuhauf über den Asta herfallen“, fürchtet Hofmann. Ein weiterer Grund, auf die neue Verkehrssenatorin Junge-Reyer zu setzen.
JOHANNES GERNERT