: Alles in einer Hand
Als gehörten „SZ“, „FAZ“, „Welt“, „FR“ und taz nur einem Verlag: In den Niederlanden ist das völlig normal
Die Niederlande erlebten „die größte Revolution der Presselandschaft seit dem Zweiten Weltkrieg“, da sind sich heimische Medienbeobachter einig. Denn alle überregionalen Qualitätszeitungen gehen an den britischen Investmentfonds Apax, am 10. Mai wird der Kaufvertrag unterschrieben. Der Preis dürfte bei etwa 800 Millionen Euro liegen, schätzen Analysten.
Nach deutschem Kartellrecht wäre es undenkbar, dass sich alle überregionalen Qualitätszeitungen bei einer Verlagsgruppe befinden. Doch in den Niederlanden hat das Tradition: Trouw, Volkskrant, Algemeen Dagblad und seit 1995 auch NRC Handelsblad gehörten bisher mehrheitlich der „Stiftung Demokratie und Medien“, die sich aus dem Widerstand gegen die deutschen Besatzer im Zweiten Weltkrieg entwickelt hat.
Gemeinsam erzielten die Blätter 2003 eine Auflage von fast einer Million Exemplaren. Das ist beeindruckend in einem Land, das überhaupt nur 16 Millionen Einwohner zählt und außerdem noch über starke Regionalblätter verfügt. Dennoch sinken die Leserzahlen – und gleichzeitig fehlte der Stiftung das Kapital, um in ihre Blätter zu investieren.
Also wurde ein Anleger gesucht. Der weltweit siebtgrößte Investmentfonds Apax erhielt schließlich den Zuschlag und übernimmt 64 Prozent der Anteile. Im niederländischen Fernsehen hieß es ein wenig hämisch, der neue Eigentümer hätte bisher „nur Telefonbücher“ gedruckt. Das stimmt nicht ganz, Apax ist immerhin auch an der Schweizer Gratiszeitung 20 Minuten beteiligt. Noch. Denn Apax kauft Betriebe, um sie nach spätestens fünf Jahren wieder zu verkaufen. So sollen die Einlagen der Pensionsfonds und Lebensversicherungen gewinnträchtig vermehrt werden.
Die Niederländer sehen es gelassen, dass ihre Zeitungen demnächst zum internationalen Spekulationsobjekt werden. Was soll schon passieren? Sollen die Zeitungen überhaupt Erfolg an der Börse haben, muss in sie investiert werden. Und genau das war doch der Sinn der Transaktion. Außerdem hat sich die Stiftung zusichern lassen, dass die Zeitungen nicht geschlossen werden dürfen und ihren Charakter nicht verändern sollen.
Also, so die Stimmung im Land, ist der Verkauf doch völlig risikolos – außer vielleicht für Apax. Immer wieder gern wird in den Niederlanden hämisch kolportiert, dass der Fonds eine Milliarde Euro verlor, als er im Jahr 2000 die deutsche Bundesdruckerei kaufte – knapp zwei Jahre später war die Beteiligung nämlich nur noch einen Euro wert.ULRIKE HERRMANN