: Der Regisseur klebt am Leder
Bei der ARD Fußball-Experte, beim TV-Rechtehändler Mitgesellschafter. Günter Netzer ist das Bindeglied, wenn Fußball wieder öffentlich-rechtlich wird
von STEFFEN GRIMBERG
Der Mann hat auch gar nichts verlernt: Günter Netzer (58) ist und bleibt ein echtes Mittelfeldgenie, ein Regisseur, der mittendrin steht und den Ball laufen lässt. Nur dass das Ganze heute eher in den Büros des TV-Rechte-Maklers Infront stattfindet als auf dem Rasen.
Was der Mann nicht alles unter einen Hut bekommt: Angestellter und Berater des TV-Großhändlers Kirch, was ihn nicht daran hinderte, in der öffentlichen Wahrnehmung trotzdem als Hort öffentlich-rechtlichen Fußballsachverstandes dazustehen. Dann, nach dem Untergang des Hauses Kirch, Vorzeigefrontmann und Minigesellschafter der vom einstigen Adidas-Vorstand Robert Louis-Dreyfus gegründeten Infront im schweizerischen Zug. Hier saß Netzer schon als Kontaktmann der KirchSport AG und noch früher für die Sportrechteagentur CWL, die in den 90er-Jahren von Kirch geschluckt wurde.
„Im Grunde ist er immer noch die Nummer zehn, die andere für sich malochen lässt“, hatte voriges Jahr der Spiegel nach einem Besuch beim Helden der Europameisterschaft 1972 bemerkt. Auch in Sachen ARD ist das so: Hier heißt Netzers Sparringspartner Gerhard Delling – und „muss mich an die Hand nehmen, das verlange ich von ihm“ (Netzer zum Spiegel). Nach dem Modell Walldorf&Statler – die zwei Alten aus der Muppet-Show – entwickelten sie das Genre Spielanalyse weiter: 2000 gab es dafür einen Grimme-Preis, seit Jahren die erste Auszeichnung einer Sportsendung mit dem TV-Oscar. Und Delling amtiert inzwischen als „Bereichsleiter Sport“ bei seiner Heimatanstalt NDR.
Netzers Image ist das des Gentlemansportlers, der im Gegensatz zu diversen anderen Experten das runde Leder so nachhaltig wie nüchtern auf den Punkt bringt. Daran konnten auch jüngste Berichte über einen dubiosen zusätzlichen Beratervertrag mit Leo Kirch wenig ändern. Ob der, wie die Süddeutsche schrieb, nun 600.000 Euro oder doch nur – so Netzer – eine halbe Million wert war, ist auch nicht wichtig: Der Medienmogul ist schließlich abgemeldet, für seine Fernsehfamilie fanden die biederen Insolvenzverwalter nicht mal mehr einen Käufer.
Ganz anders läuft das Geschäft des ehemaligen Kirch-Lobbyisten mit öffentlich-rechtlichem Auftritt: „Seine“ Firma Infront (Netzer ist mit 1,25 Prozent der Anteile beteiligt ) sicherte sich ein im Gegensatz zu den übrigen Film- und TV-Programmrechten hochwertiges Filetstück aus dem Kirch-Arsenal.
Und dass ein Infront-Verhandler Netzer zum Beispiel bei den Gesprächen über die Rechtevergabe der Fußballweltmeisterschaften „atmosphärisch von Vorteil“ sei, gibt man auch bei der ARD unumwunden zu. Ansonsten aber „nimmt Herr Netzer für die ARD eine eng begrenzte Aufgabe wahr – als Fußballexperte“, heißt es beim NDR. Natürlich sei er andererseits Geschäftsmann mit entsprechendem Eigeninteresse. Beides lasse sich aber strikt trennen.
Mit den Länderspielen, die uns das Duo Delling/Netzer bislang bescherte, hat die Infront allerdings nichts zu tun: Die kaufte die ARD direkt beim Deutschen Fußballbund (DFB). Die Deutsche Fußball-Liga (DFL) wiederum dürfte froh sein, dass sie über die Bundesliga nicht mit der ARD verhandeln musste: Insgesamt 290 Millionen Euro sind der DFL für die kommende Saison von Infront garantiert, der Rechtehändler muss diese durch die Auswertung der Spiele im Pay- und Free-TV hereinholen. Weil die ARD-Zahlungen aber erheblich unter den für die Free-TV-Erstausstrahlung kalkulierten 80 Millionen Euro bleiben dürften, klafft hier ein hübsches Loch – ungefähr in der Größenordnung des Jahresetats von 1860 München.