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Archiv-Artikel

Alles über das Gesundheitssystemmodernisierungsgesetz

Kranken- und Sterbegeld, Brillen und rezeptfreie Medikamente, Hausärzte und Apotheken: vom „GMG“ sind unzählige Bereiche der Gesundheitspolitik betroffen

BERLIN taz ■ Das Gesetz hat einen schwierigen Namen – Gesundheitssystemmodernisierungsgesetz (GMG) – und ist eigentlich ein Gesetzesbündel. Damit soll an vielen Schrauben im Gesundheitssystem gleichzeitig gedreht werden, und zwar so, dass am Ende mehr Wettbewerb, mehr Effizienz, mehr Transparenz und vor allem: weniger Lohnnebenkosten herauskommen.

Die rot-grüne Regierung hat sich zum Ziel gesetzt, die Lohnnebenkosten unter 40 Prozent zu drücken, weil sie meint, dass dadurch Arbeitsplätze entstünden. Von den vier Faktoren – Arbeitslosen-, Renten-, Pflege- und Krankenversicherung – kommt nur die Krankenversicherung für eine beitragssenkende Reform in Frage.

Derzeit liegt der Durchschnittsbeitrag zur gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) bei 14,4 Prozent. Mit der Reform soll er bald auf 13 Prozent sinken. Dieses Jahr wird jedoch erst einmal noch mit einer weiteren Beitragserhöhung gerechnet, denn die Krankenkassen sind mehr als pleite. Da ein Beitragsprozentpunkt etwa 10 Milliarden Euro ausmacht, sollte das GMG ursprünglich rund 20 Milliarden Euro – gleich zwei Prozentpunkte – Sparvolumen bringen, um dem erklärten Ziel näher zu kommen. Sämtliche Angaben über Spareffekte beruhen allerdings auf Vermutungen, weshalb sich inzwischen selbst Gesundheitsministerin Ulla Schmidt nicht mehr mit konkreten Zahlenangaben den Mund verbrennt. Im GMG selbst ist nur noch von 9,5 Milliarden Euro Sparvolumen im Jahr 2004 die Rede.

Dazu rechnen die Reformer dann noch die rund 7 Milliarden Euro Krankengeld, die nicht gespart oder gestrichen, sondern innerhalb der gesetzlichen Krankenversicherung umgelegt werden: Die Arbeitgeber werden davon entlastet, die Arbeitnehmer zahlen allein. Das heißt, dass die bislang hälftige Finanzierung der GKV, genannt Parität, kippt: Arbeitgeber sollen nun 47, Arbeitnehmer 53 Prozent zahlen.

Ein weiterer dicker Happen ist die Steuerfinanzierung so genannter versicherungsfremder, also familienpolitischer Leistungen: Die Tabaksteuer wird schrittweise um insgesamt 1 Euro pro Schachtel erhöht, und was Finanzminister Hans Eichel dadurch einnimmt, soll direkt zur Finanzierung von Mutterschutz und ähnlichen Leistungen herangezogen werden.

Weitere Spar- und Effizienzmaßnahmen sind: Das Sterbegeld von derzeit noch 525 Euro entfällt. Es war in den vergangenen Jahren ohnehin abgeschmolzen worden.

Rentner, die Betriebsrenten oder ein zusätzliches Arbeitseinkommen beziehen, sollen künftig den vollen Kassenbeitrag zahlen und nicht mehr nur den halben.

Die Zuzahlungen zu Arzneimitteln werden je nach Packungsgröße auf 4, 6 oder 8 Euro erhöht. Wer zunächst immer seinen Hausarzt aufsucht, zahlt die Hälfte.

Rezeptfreie Arzneimittel (so genannte OTC-Produkte) sollen ganz aus dem Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen entfallen. Ausgenommen wird Homöopathie.

Auch Brillen und andere Sehhilfen werden für Erwachsene gestrichen, außerdem Entbindungsgeld, künstliche Befruchtung und die Sterilisation.

Der Hausarzt wird gestärkt. Eine „Praxisgebühr“ von 15 Euro soll zahlen, wer ohne Überweisung des Hausarztes einen Facharzt aufsucht. Ausgenommen sind Augen-, Kinder- und Frauenärzte und wer als „Notfall“ gilt.

Krankenkassen sollen künftig ohne Umweg über die Kassenärztlichen Vereinigungen direkte Verträge mit Fachärzten schließen können. Nachwuchs-Fachärzte, heißt das, müssen direkt mit den Kassen verhandeln. Gesundheitszentren nach dem Vorbild der DDR-Polikliniken sollen gegründet werden.

Eine Deutsches Zentrum für Qualität in der Medizin soll Arzneimittel in Relation zu ihren Kosten bewerten und Therapie-Richtlinien entwerfen.

Bei ihrem Arzt können Versicherte künftig eine Quittung über die erbrachten Leistungen verlangen.

Die Plastik-Versichertenkarte soll bis 2006 zu einer „Gesundheitskarte“, einer „intelligenten“ Chipkarte, ausgebaut werden. Sie soll missbrauchssicher sein und Rezepte speichern können.

Apotheken können Ketten bilden, Versandhandel mit Medikamenten soll zugelassen werden.

ULRIKE WINKELMANN