: Ehemals sichere Rente verunsichert Mieter
Die Essener Wohnungsgesellschaft Gagfah soll zum Füllen der Rentenkasse verkauft werden. 80.000 Wohnungen wechseln damit den Besitzer. Mietervereine an der Ruhr rechnen mit großen Nachteilen für die Mieter
ESSEN taz ■ Das Essener Wohnungsunternehmen Gagfah (Gemeinnützige Aktiengesellschaft für Angestellten-Heimstätten) wird verkauft. Landesweit sind 30.000 Wohnungen betroffen – ein Großteil davon im Ruhrgebiet. Das Mieterforum Ruhr befürchtet durch den Verkauf empfindliche Folgen für die soziale Wohnraumversorgung in der Region. „Dieses soziale und wirtschaftlich gesunde Wohnungsunternehmen muss erhalten bleiben“, fordern die Mietervereine. Die Entscheidung über den neuen Besitzer soll spätestens Ende Juni fallen.
Nach dem Verkauf der Gagfah stehe vor allem das Verwertungsinteresse im Vordergrund, befürchtet Helmut Lierhaus vom Mietverein Dortmund. „Gagfah ist ein Unternehmen ohne Mieterprobleme“, sagt Lierhaus, „die Zerschlagung wäre sehr bedauernswert.“ Eine Aufspaltung in profitable und weniger profitabel Sektoren wäre die Folge – auf Kosten der Mieter.
Die Tochter der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (Bfa) besitzt bundesweit 80.000 Wohnungen. Mit dem Verkauf der Gagfah will die BfA vor allem die Rentenkasse aufbessern. Im Raum steht ein Betrag von 2,9 Milliarden Euro. Abzüglich der Verbindlichkeiten von 1,3 Milliarden würden rund 1,6 Milliarden Euro in die Rentenkassen wandern. „Nicht viel mehr als die Deckung eines Tagessatzes“, sagt Thomas Rommelspacher, wohnungspolitischer Sprecher der Grünen im Landtag.
Bis Ende April hatten die Interessenten Zeit, ihre Gebote für die Gagfah abzugeben. Sechs Unternehmen stehen seit dem zur Auswahl. Beste Aussichten hat Gerüchten zu folge die Deutsche Annington Immobilien GmbH, eine Tochter der britischen Fonds Terra. Unter den sechs bekannt gewordenen Bietern – darunter die HSH Nordbank sowie die Fondsgesellschaften Fortress (USA) und Zerberus (Großbritannien) – ist in Deutschland bislang einzig die Allington als Vermieter in Erscheinung getreten. Das Düsseldorfer Unternehmen hat bereits Ende 2000 rund 64.000 Wohnungen der Deutschen Bahn übernommen. „Sollte Annington den Zuschlag bekommen, wäre dies eine halbwegs akzeptable Lösung, auch für die Mieter“, sagt Rommelspacher. Annington habe ein solides Konzept. Es sei aber wahrscheinlich, dass die Wohnungen nach fünf Jahren weiterverkauft werden. So genanntes „vagabundierendes Kapital“ sei vor allem für den Wohnungsmarkt charakteristisch, so Rommelspacher.
„Die Deutsche Annington macht ihr Geschäft vorrangig damit, dass sie Mietwohnungen verkauft“, heißt es beim Mieterforum Ruhr. Weitgehende vertragliche Bindungen zwängen sie aber dazu, den Verkauf nur langsam und ohne große Probleme für die Mieter zu realisieren.
Bislang besitzt die Deutsche Annington 79.000 Wohnungen. Sollte die Gagfah hinzukommen, würde man sich in etwa auf Augenhöhe mit der Viterra AG befinden. Zustände wie bei der Viterra seien aber nicht zu erwarten, so Rommelspacher.
Die E.ON-Tochter Viterra ist durch den Verkauf ihrer Mietwohnungen zuletzt massiv in die Kritik geraten. Ende des Jahres will E.ON seine Immobilientochter endgültig loswerden. Mieter gehen bereits jetzt auf die Barrikaden. Der Landtag in NRW arbeitet nun an einem „Verkaufskodex“ für Wohnungsverkäufe. Nach Protesten von Gewerkschaften und Mietern hat die Landesregierung zuletzt sogar auf den Verkauf der landeseigenen Wohnungsgesellschaft LEG verzichtet. Der Verkauf der Gagfah dürfte trotz aller Kritik wie geplant über die Bühne gehen. Zumal das Interesse des Bundes wohl in jedem Falle vorgeht.
HOLGER PAULER