american pie
: Big Ben in der Endlosschleife

Im ersten Match des NBA-Viertelfinales schockieren die Detroit Pistons die New Jersey Nets mit ihrer berüchtigten Abwehrkunst

Dass Defense Meisterschaften gewinnt, ist ein althergebrachter Spruch in der Basketball-Liga NBA, bisher glaubte man allerdings, ein klein wenig Offense gehöre auch dazu. Die Detroit Pistons könnten mit diesem Vorurteil aufräumen. Niemand hätte jedenfalls bis zum letzten Montag geglaubt, dass 78 erreichte eigene Punkte in der NBA genügen könnten, einen renommierten Kontrahenten wie die New Jersey Nets mit 22 Punkten auf Distanz zu halten. 78:56 gewann Detroit sein erstes Match der Viertelfinalserie (Best of 7) gegen die Nets, die zuvor immerhin in 14 Play-off-Spielen in Folge gegen Konkurrenten aus der Eastern Conference die Oberhand behalten hatten – zuletzt beim 4:0-Sweep der New York Knicks. Im Halbfinale der vergangenen Saison hatten die Nets im Übrigen auch in vier Partien die Pistons abgefertigt, was diese veranlasste, den eigentlich recht erfolgreich arbeitenden Coach Rick Carlisle durch Larry Brown zu ersetzen.

Brown hatte einige Jahre mühseliger Querelen mit dem kapriziösen Star Allen Iverson bei den Philadelphia 76ers hinter sich und ging mit freudigem Eifer daran, die Pistons-Defense zur nahezu uneinnehmbaren Burg auszubauen. Fast schon gemein sein Schachzug, auch noch Rasheed Wallace aus Portland zu holen, andererseits ziemlich dumm von der Konkurrenz, dies nicht auf irgendeine Weise verhindert zu haben. Nachdem Wallace im Februar gekommen war, verlor Detroit von 32 Spielen nur noch sieben, insgesamt hielten die Pistons ihre Gegner bei 84,3 Punkten im Schnitt, die drittniedrigste Quote seit Einführung der Shot-Clock, die mit Wallace sogar noch auf 78,6 sank. Einen Ligarekord stellten sie auf, indem sie elf Kontrahenten weniger als 70 Punkte gestatteten. Ausgerechnet die Nets hatten eine Serie von fünf U-70-Spielen beendet und ihren letzten Korb bei der 71:89-Niederlage wie einen Sieg gefeiert. Dafür waren sie von den Pistons nach Herzenslust verspottet worden, was das ohnehin schon böse Blut zwischen beiden Teams weiter vergiftete.

Vor dem Beginn der Play-off-Serie waren jedoch vor allem die Nets bemüht, den Zündstoff aus der Begegnung zu nehmen. „Das war nur eine Generalprobe“, sagte Jason Kidd über das letzte Aufeinandertreffen, „jetzt geht es bei null-null los.“ Und Kenyon Martin, dessen Großmäuligkeit zuletzt die Knicks zur Weißglut getrieben hatte, kommentierte die Rivalität zahm: „Fragt mich doch nicht nach so was.“ Als hätte er geahnt, wie es ihm in Detroit ergehen würde. Nur 11 Punkte brachte Martin zustande, weit unter seinem normalen Schnitt. Insgesamt stellten die 56 Nets-Punkte die niedrigste Ausbeute der Klubgeschichte dar, nur zwei Punkte trennten sie vom Minus-Play-off-Rekord der Utah Jazz, den diese 1998 im Finale gegen Jordans Chicago Bulls aufgestellt hatten.

„Die Serie ist nicht vorbei, das war bloß ein einziges Spiel“, sagte Kenyon Martin trotzig, während ihm vermutlich noch die Ohren summten von den Big-Ben-Glocken, die im Auburn Palace von Detroit jedes Mal erklingen, wenn dem afrohaarigen Center Ben Wallace ein Rebound, Block oder Steal gelingt. 11-3-4 hieß es diesmal in der Big-Ben-Wertung, 13 Punkte setzte Wallace obendrauf, was gar nicht sein Job ist. Für die gelegentliche Offense sind neben Rasheed Wallace vor allem Richard Hamilton und Tayshaun Prince zuständig, die mit je 15 Punkten ihre Aufgabe gewohnt solide erfüllten.

„Die ganze Eastern Conference hat das gebraucht“, bejubelte Larry Brown das Ende der Nets-Siegesserie, warnte aber gleichzeitig vor Übermut. „Sie werden jetzt ihr bestes Spiel liefern“, sagte er und trug das warnende Beispiel am eigenen Leibe – ein Jersey der Eishockeykollegen von den Detroit Red Wings mit dem Namen des Captains Steve Yzerman. Die Wings schieden am selben Abend bei den Calgary Flames aus den NHL-Play-offs aus, womit die sportlichen Titelhoffnungen der Stadt nun allein auf den normalerweise weniger populären Pistons ruhen. Zumindest gegen den Champion des Westens in einem möglichen Finale wird Defense allein allerdings kaum reichen. MATTI LIESKE