Allesdürfer in Alleinstellung

Silvio Berlusconi ist die italienische Medienordnung. Auch wenn jetzt die Kartellbehörden wegen seines TV-Monopols ermitteln, kann sich der Ministerpräsident auf politische Freunde verlassen

aus Rom MICHAEL BRAUN

Verkehrte Welt. Da ist der bedeutendste Medienunternehmer des Landes zugleich Ministerpräsident, kann deshalb nicht nur seine drei eigenen TV-Sender, sondern auch die staatliche RAI kontrollieren – und hat nichts davon. So jedenfalls sieht es Silvio Berlusconi. Erst gestern musste er lesen, dass die Kartellbehörde seiner Mediaset und der RAI auf die Bude rücken will, weil die beiden 90 Prozent der Einschaltquote erreichen und damit eine „in Europa einzigartige Monopolsituation“ geschaffen hätten.

Auch über den politischen Ertrag seines Durchmarschs in der Medienlandschaft mag Berlusconi sich nicht recht freuen. Im Rotfunk RAI wimmele es weiterhin von Kommunisten, aber auch im eigenen Hause Mediaset sei die große Mehrzahl der Journalisten links, erzählt er immer wieder, und überhaupt habe ihm sein politisches Engagement unternehmerisch nur geschadet.

Da kann man Italiens Journalisten wohl nur als undankbar bezeichnen. Sie nämlich traten am 10. Juni und noch einmal gestern in den Streik. Nicht etwa für höhere Löhne oder die Sicherung von Arbeitsplätzen, sondern gegen die akute Bedrohung der Informations- und Pressefreiheit. Gewiss, Italien ist nicht Weißrussland, und Berlusconi ist nicht Lukaschenko, doch der italienische Medien-Premier kann sich auf dem TV-Sektor über ein Monopol freuen – ein Monopol, das nicht zuletzt dank einer immer Berlusconi-freundlichen Gesetzgebung entstehen konnte.

Medialer Aufstieg

Seinen Aufstieg bewerkstelligte Berlusconi in den Achtzigerjahren zunächst in einem rechtsfreien Raum. Erst machte er den von ihm gegründeten Sender Canale 5 mit Geldern unklarer Herkunft groß, dann kaufte er 1984 die beiden Konkurrenzsender auf. Wie er den Spaß finanzierte, weiß bis heute keiner genau – außer, dass schon damals die von Bettino Craxis Sozialisten kontrollierte Banca Nazionale del Lavoro in allen Notlagen immer gern mit Krediten aushalf.

Berlusconi fand sich so schon 1985 als durch Konzentrationsvorschriften oder Werbezeitbegrenzungen ungehinderter Hauptdarsteller auf dem Feld des italienischen Privatfernsehens – sowie als ernsthafter Konkurrent der staatlichen RAI mit ihren ebenfalls drei nationalen Programmen. Und die Politik sorgte dafür, dass sich an diesem Duopol nichts änderte: 1989 paukte Craxi im Verein mit Berlusconis Freunden in der Christdemokratie eine Medienordnung durch, die einer Person die Kontrolle dreier nationaler TV-Programme gestattete. Berlusconi revanchierte sich, indem er die Leitungsebenen der Nachrichtenredaktionen seiner Sender ausnahmslos aus dem sozialistischen Beritt besetzte.

Zugleich aber expandierte der agile Medienunternehmer: Heute gehört ihm auch die größte TV-Programmzeitschrift des Landes, der größte Buch- und Zeitschriftenverlag, selbst in der Filmproduktion mischt er mit. Bruder und Ehefrau besitzen zudem weitere zwei Tageszeitungen. Die Resultate sind bisweilen bizarr: Selbst erbitterte Gegner Berlusconis sind – wie zuletzt Paul Ginsborg mit seiner Philippika gegen den Tycoon – darauf angewiesen, beim Berlusconi-Verlag Mondadori oder einer seiner Töchter (darunter auch das linke Traditionshaus Einaudi) zu publizieren, wenn sie ein Massenpublikum erreichen wollen.

Berlusconi hat mit seinem integrierten Medienkonzern eine Machtstellung aufgebaut, wie wir sie sonst in Europa wohl nur von Bertelsmann kennen – nur dass keiner der Bertelsmänner bisher Ehrgeiz zeigte, gleich auch direkt als Kanzler Deutschland zu regieren.

Politischer Ehrgeiz

Seinen politischen Ehrgeiz entwickelte Berlusconi 1993, unter dem Zwang der Ereignisse: Als damals im Korruptionsstrudel Craxis Sozialisten und die Christdemokraten untergingen, stand er ohne politische Paten da – und hatte den sinnreichen Einfall, dieses Geschäft gleich selbst zu besorgen. Auch die folgenden Mitte-links-Regierungen wagten es nicht, seine Medienmacht anzutasten. Sie wollten nicht in den Ruch zu geraten, den Gegner politisch zu verfolgen – und verabschiedeten ein windelweiches Mediengesetz. Immerhin sollte es Berlusconi zur Abgabe eines seiner drei Sender bewegen, ließ aber das Datum vollkommen offen. Und so sendete der weiter auf drei Kanälen, bis er 2001 wieder die Wahlen gewann. Viele Dinge erledigen sich eben durch Abwarten; Beobachter fürchten, dass auch die jetzt eingeleitete Untersuchung der Kartellbehörde ein ähnlich unrühmliches Ende nehmen wird.

Nach der Wahl war das Tor zum Fernsehmonopol offen. 2002 bestellten Berlusconis Vertraute eine neue RAI-Spitze, die dem Regierungschef sofort den Gefallen tat, kritische Gesichter des Senders ohne Rücksicht auf erfolgreiche Programme rauszuwerfen. Stattdessen dürfen nun Hofschranzen ran.

Für die Zuschauergunst der RAI war das Gift, für die Mediaset aber wurde 2002 ein tolles Jahr: Stabil überrundete das Berlusconi-Unternehmen den Staatssender bei den Einschaltquoten und liegt in der Prime-Time heute bei knapp 50 Prozent. (Zum Vergleich: Die deutsche Mediengesetzgebung zieht hier eine Obergrenze von 30 Prozent aller Zuschauer.)

Berlusconis Glück wäre also fast perfekt, wenn da nicht die alte Auflage wäre, nach der er langfristig doch einen Sender abgeben muss. Doch wozu ist man Regierungschef? Die entsprechende Gesetzesänderung liegt schon dem Parlament vor: Drei Sender pro Anbieter sind da erlaubt, dazu die Möglichkeit für TV-Unternehmer, sich auch Tageszeitungen zu kaufen. Schließlich lockt da noch – der Corriere della Sera, zumindest wenn der Geldgeber Fiat noch tiefer in die Krise rutschen sollte. Und die könnten, im Chor mit der RAI, den Berlusconi-Sendern und mit seinen zahlreichen andren Medien, dann die Italiener täglich am Kiosk informieren, dass das Gerede von der bedrohten Meinungsvielfalt bloß die fiese Erfindung linker Hetzer ist.