: Organhandel ist eine Wachstumsbranche
Der Europarat will Maßnahmen ergreifen gegen den zunehmenden Handel mit menschlichen Organen
Der illegale Handel mit menschlichen Körperteilen, die für Transplantationen nachgefragt werden, ist eine globale Wachstumsbranche. Das belegt ein Report der Schweizer Politikerin Ruth-Gaby Vermot-Mangold, den sie für den Europarat erstellt hat. „Internationale kriminelle Organisationen“, berichtet die Berner Sozialdemokratin, „haben die lukrative Lücke entdeckt und setzen Menschen in extremer Armut, besonders in Osteuropa, unter Druck, ihre Organe zu verkaufen.“ Zum illegalen Netzwerk sollen auch Mediziner und Pflegekräfte gehören.
In Moldawien, wo das durchschnittliche Monatseinkommen bei umgerechnet 30 US-Dollar liegt und jeder Zweite erwerbslos ist, hat Vermot-Mangold selbst recherchiert – in Ministerien, Kliniken und Dörfern. Dort traf sie auf junge Männer, die – unter Mitwirkung krimineller Vermittler – ihre Nieren an ausländische Dialysepatienten verkauft hatten. Während die Organgeber zwischen 2.500 und 3.000 Dollar erhielten, sollen die EmpfängerInnen bis zu 200.000 Dollar bezahlt haben. Die Transplantationen fanden laut Report jeweils in der Türkei in angemieteten Klinikabteilungen statt; operiert hätten Chirurgen aus dem In- und Ausland.
Nach Entnahme ihrer Niere seien die „Lebendspender“ lediglich fünf Tage versorgt und dann nach Moldawien zurückgebracht worden; eine medizinische Nachsorge im Heimatland gebe es nicht. „Die meisten Organgeber werden mittelfristig gezwungen sein, mit der Dialyse zu leben oder auf eine Nierentransplantation zu warten“, zitiert Vermot-Mangold den Leiter einer Dialysestation in der moldawischen Hauptstadt Chișinau. Moldawien ist kein Einzelfall, Organhändler wirken laut Report auch in anderen osteuropäischen Staaten, etwa in Bulgarien, Georgien, Rumänien und Russland. Der Markt scheint groß angesichts von fast 40.000 PatientInnen, die in Westeuropa auf der Warteliste für eine Nierentransplantation stehen.
Zwecks Bekämpfung des Organhandels hat Vermot-Mangold einige „Empfehlungen“ ausgearbeitet, die am Mittwoch von der Parlamentarischen Versammlung (PV) des Europarats in Straßburg beschlossen und anschließend den Außenministern der 45 Mitgliedstaaten vorgelegt werden sollen. Die Vorschläge zielen darauf, gesetzliche Schlupflöcher zu stopfen. Zum Beispiel soll überall in Europa klargestellt werden, dass MedizinerInnen, die gekaufte Körperteile verpflanzen, strafrechtlich verfolgt werden; zudem solle ausgeschlossen werden, dass Krankenversicherungen den OrgankäuferInnen Kosten für Operationen und medizinische Nachbetreuung erstatten.
Für politischen Zündstoff dürfte die zentrale Empfehlung Vermot-Mangolds sorgen: Sie fordert den Europarat auf, den „beunruhigenden Trend“ zur Lockerung gesetzlicher Regeln in einigen Staaten Westeuropas zu „missbilligen“. Gemeint sind Vorhaben wie in der Schweiz, die Lebendorganspenden künftig auch zwischen Menschen erlauben will, die weder verwandt sind noch sich persönlich nahe stehen. Derartige Ideen, deren Realisierung den ohnehin schwer nachweisbaren Organgeschäften Vorschub leisten könnten, werden auch hierzulande propagiert – nicht nur von Chirurgen: Sogar der Vorsitzende der „Ständigen Kommission Organtransplantation“ der Bundesärztekammer, der Göttinger Strafrechtsprofessor Hans-Ludwig Schreiber, plädiert dafür, das Transplantationsgesetz (TPG) zu ändern und künftig Lebendspenden zwischen Unbekannten zuzulassen.
Das Thema wird auch die neue Enquete zur Medizinethik beschäftigen. Die Kommission aus Bundestagsabgeordneten und Sachverständigen könnte zudem untersuchen, ob im TPG genügend Sicherungen gegen Organhandel eingebaut sind.
Anlass zur Skepsis geben Vorgänge im Transplantationszentrum Essen, wo Nieren gesunder „Spender“ verpflanzt wurden, die der Staatsanwaltschaft inzwischen verdächtig vorkommen. Seit rund einem halben Jahr ermitteln die Essener StrafverfolgerInnen gegen drei israelische Empfänger, drei osteuropäische „Spender“ und einen Mittelsmann aus Israel, weil zwischen ihnen reichlich Geld geflossen sein soll. KLAUS-PETER GÖRLITZER