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Archiv-Artikel

Anklage erhoben

Al-Qaida-Prozess in Berlin: Tunesischer Ingenieur beschuldigt. V-Männer dienen als Hauptzeugen

„Die Hauptverhandlung wird deutlich machen, wie dürftig die Beweislage ist“

Für die Generalbundesanwaltschaft ist der 33-jährige Tunesier Ihsen G. ein Verbündeter von al-Qaida. Der Mann mit dem schwarzen Vollbart soll ein islamischer Fundamentalist sein und Sprengstoffanschläge gegen jüdische und US-amerikanische Einrichtungen in der Bundesrepublik geplant haben. Als am 20. März vergangenen Jahres der Irakkrieg begann und 70.000 Menschen auf dem Berliner Alexanderplatz dagegen demonstrierten, soll er ein Blutbad geplant haben. Wenige Stunden bevor die Demonstration begann, wurde er in Berlin verhaftet.

Gestern begann unter großen Sicherheitsvorkehrungen vor dem Berliner Landgericht der Prozess gegen Ihsen G., der bis Ende Juli terminiert ist. Die Bundesanwaltschaft wirft ihm die versuchte Gründung einer terroristischen Vereinigung vor, zudem Mord und Totschlag. „Die westliche Welt sollte gedemütigt werden“, sagte die Staatsanwältin der Bundesanwaltschaft. Zudem soll der Ingenieur, der in Berlin einen Im- und Exporthandel mit Gold und Silber betrieb, 400.000 Mark Umsatzsteuer hinterzogen haben.

Ihsen G., der 1996 nach Deutschland kam, soll im Juli 2001 nach Afghanistan gereist sein, um sich in einem Lager der al-Qaida „für den weltweiten Kampf der Muslime gegen die Ungläubigen“ ausbilden zu lassen. In Afghanistan, wo er Ussama Bin Laden kennen gelernt haben soll, habe er den Auftrag erhalten, Sprengstoffanschläge in Deutschland zu verüben. Im Januar 2003 soll Ihsen G.mit gefälschten Papieren illegal nach Deutschland eingereist sein. In Südafrika soll er Handys und Uhren mit Weckfunktion erworben haben, um diese für Sprengstoffanschläge zu manipulieren.

Zurück in Berlin, so die Staatsanwaltschaft, soll Ihsen G. in einer Moschee im Stadtteil Neukölln Gleichgesinnte rekrutiert und mehrmals erfolglos um eine Fatwa gebeten haben. Gegen sechs Männer, die er in seine Pläne eingeweiht haben soll, wird gesondert ermittelt. Sie werden als Zeugen gehört. Nach seiner Festnahme wurden in der Wohnung, die er in Gelsenkirchen angemietet hatte, Schaltpläne, Listen mit Chemikalien und Videos mit Hetzparolen gefunden.

Eigentlich wollte der Angeklagte gestern aussagen. Doch Ihsen G., der neben einem Dolmetscher hinter Panzerglas saß und aufmerksam die Verhandlung verfolgte, schwieg. Stattdessen gaben seine Verteidiger eine Erklärung ab. „Nach den Akten erscheint eine Verurteilung nicht sehr wahrscheinlich“, sagte Margarete von Galen. „Die Bundesanwaltschaft hat ein Experiment vor.“ Es gebe keine Beweise für einen Aufenthalt des Angeklagten in Afghanistan, viele Vorwürfe beruhten auf Aussagen von „Vertrauenspersonen, die vom LKA bezahlt wurden“ und die dem Angeklagten niemals begegnet seien. Trotzdem begrüßte die Anwältin die Hauptverhandlung. „Sie wird deutlich machen, wie dürftig die Beweislage ist.“

Verteidiger Michael Rosenthal, der den in Hamburg vom Vorwurf der Beteiligung an den Anschlägen vom 11. September freigesprochenen Marokkaner Abdelghani Mzoudi vertreten hat, ergänzte die Kritik an der Anklage. „Die Atmosphäre könnte durch die allgemeine politische Situation beeinflusst werden.“

Die Staatsanwältin der Bundesanwaltschaft lehnte das Angebot des Vorsitzenden Richters ab, sich zu den Vorwürfen zu äußern. Sie nutzte eine Prozesspause, um sich siegessicher zu geben. „Die Anklage wurde zugelassen, das heißt, das Gericht hat die Überzeugung, dass eine Verurteilungsmöglichkeit besteht.“ Kommenden Dienstag wird der Prozess fortgesetzt.

BARBARA BOLLWAHN