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Archiv-Artikel

Flüchtlinge in der Behördenfalle

Schrammas „Sicherheitsoffensive“ gegen Roma wird von Flüchtlingsrat, Rom e.V. und Kölner Appell scharf kritisiert. Statt Kriminalitätsursachen zu bekämpfen, schikaniere die Stadt eine ganze Gruppe

Von Susanne Gannnott und Jürgen Schön

Die Zwischenbilanz von OB Fritz Schramma und Polizeipräsident Klaus Steffenhagen zur „Sicherheitsoffensive“ gegen Kriminalität von „illegal Eingereisten“ stößt in der Stadt auf geteilte Reaktionen. So begrüßt die FDP den „Schulterschluss von Stadt und Polizei für mehr Sicherheit“ und freut sich „dass die Stadt endlich ‚offiziell‘ anerkennt, dass es einen Zusammenhang zwischen wachsender Kriminalität im Bereich Diebstahl und Wohnungseinbrüchen und dem ‚ungehemmten Zustrom von illegal Eingereisten‘“ gebe.

Diese Rede vom „ungehemmten Zustrom“ hatte schon in der Einladung zur Schramma-Bilanz gestanden – was Kölner Flüchtlingsrat und Grüne kritisieren. So warnt die grüne Fraktionsvorsitzende Barbara Moritz, solche Formulierungen könnten einen falschen Eindruck erwecken. Es gebe bereits seit „Mitte der 90er Jahre keinen ‚ungehemmten Zustrom“. Für den Flüchtlingsrat erklärt Claus-Ulrich Prölß: „Der Begriff vom ‚ungehemmten Zustrom‘ ist fehl am Platz, suggeriert immer mehr Zuwanderung und schürt Ängste.“

Einen anderen Kritikpunkt sprechen sowohl Prölß als auch die Kölner PDS an: So sei der Datenaustausch zwischen Jugend- und Ausländeramt, dem sich die Verwaltung in ihrem Stufenkonzept zur Bekämpfung der „Flüchtlingskriminalität“ verschrieben hat, rechtlich fragwürdig. PDS-Ratsmitglied Jörg Detjen: Mit einem „Abgleich der Sozialdaten von Kindern und Jugendlichen“ verstoße die Stadt „gegen das Sozialgesetzbuch und gegen den Datenschutz.“

Von einer „unheilvollen Zusammenarbeit von Polizei und Sozialamt“ spricht auch Klaus Jünschke vom Kölner Appell gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit. Er wirft dem OB außerdem „billige Stimmungsmache im Stil von Schill oder Beckstein“ vor, weil er mit seiner „Sicherheitsoffensive“ in der Öffentlichkeit eine ganze Bevölkerungsgruppe anprangere. „Das ist eine Kriegserklärung.“ Diesen Eindruck hat auch Kurt Holl vom Kölner Rom e.V. De facto gehe es nur um etwa 10 Roma-Familien, deren Kinder kriminell seien. Wenn daher jetzt pauschal alle ankommenden Roma-Flüchtlinge systematisch datenerfasst, kontrolliert und immer wieder von der Polizei drangsaliert würden, stehe offensichtlich die ganze Gruppe unter „Generalverdacht“ – mit dem kaum verhohlenen Ziel, sie schnellstmöglich abzuschieben.

Dass es bei der Schrammaschen „Sicherheitsoffensive“ also weniger um die Bekämpfung der Ursachen von Kriminalität unter Flüchtlingen geht, sondern vielmehr um Geldsparen, Schikane und Abschreckung, zeigt sich für Holl auch in den intensiven Bemühungen der Behörden, den Flüchtlingen die Sozialhilfe zu streichen. So erzählt er, die Polizei kontrolliere inzwischen systematisch die Roma vor ihren Wohnheimen. Fände sich bei jemandem zum Beispiel ein Handy – „und sei es nur ein gebrauchtes Karten-Handy, womöglich noch kaputt“ – werde das beschlagnahmt und das Sozialamt informiert. Das unterstelle dann unrechtmäßige Einkünfte – und der ganzen Familie, sogar den Kindern, werde die Unterstützung gestrichen.

Polizeipräsident Steffenhagen hatte diese Art der verschärften Kontrolle auf Sozialhilfemissbrauch „als sehr positiv“ bezeichnet. Das sieht Holl freilich anders: Für die betroffenen Familien sei der Entzug der Sozialhilfe existenzbedrohend – zumal sie auch keine Arbeitserlaubnis bekommen. Sodann folge eine perfide Argumentationskette: Denn habe eine Familie erst einmal drei Monate keine Unterstützung erhalten und versuche dann einen Neuantrag einzureichen, erkläre das Sozialamt: „Sie haben bis jetzt ohne Sozialhilfe überlebt – also müssen Sie ein Nebeneinkommen haben.“ „Dieses Vorgehen ist rechtlich abgesichert“, resigniert Holl. Und es produziert neue Probleme, wie auch Jünschke weiß: „Es ist fatal, wenn die Stadt Menschen durch Entzug der Sozialhilfe in die Kriminalität treibt.“