Schills Geist kehrt zurück

Ex-Schill-Innensenator Dirk Nockemann als Chef der Abschiebebehörde: Senat dementiert diesen Plan nicht, rot-grüne Opposition ist entsetzt

Es ist gewiss „kein karrierehindernder Zufall“, dass Nockemann zu Wochenanfang in die CDU eintrat

von sven-michael veit

Einschlägige Kompetenzen, das steht außer Zweifel, hätte Dirk Nockemann vorzuweisen, sollte er auf dem Chefsessel der Hamburger Abschiebebehörde Platz nehmen. Direktor des Landesamtes für Asylangelegenheiten in Mecklenburg-Vorpommern ist er gewesen, Bürgerschaftsabgeordneter und stellvertretender Vorsitzender der Schill-Partei in Hamburg, Büroleiter und schließlich Nachfolger von Ronald Schill als Innensenator der Hansestadt.

Seit der Neuwahl am 29. Februar aber ist Nockemann nur noch Leitender Regierungsdirektor – und hat Anspruch auf einen wohldotierten Posten im Staatsdienst. Den soll er nun bekommen, will die Mopo erfahren haben: Der Senat plane, ihn zum Leiter des Hamburger Einwohnerzentralamtes zu machen, dessen berüchtigtste Abteilung die Ausländerbehörde ist.

Senatssprecher Christian Schnee wortkargte auf Anfrage der taz in wohlgesetzten Worten: „Eine solche Personalentscheidung steht nicht auf der Tagesordnung der kommenden Senatssitzungen.“ Marco Haase, Sprecher des parteilosen Innensenators Udo Nagel, kommentierte fröhlich: „Mein Name ist Haase, ich weiß von nichts.“ Zu förmlichen Dementis allerdings waren beide nicht zu bewegen.

Gespalten ist die Resonanz in gewöhnlich gut unterrichteten Kreisen. Nockemann habe mit jenem Amtsleiterposten schon „geliebäugelt“, als er noch Schills Büroleiter gewesen sei, weiß einer zu berichten. Aber dann musste er im August vorigen Jahres nach dem unrühmlichen Rauswurf des Rechtspopulisten selbst Innensenator werden.

„Ein Hammer“ wäre das, so eine andere Einschätzung, wenn der seit gestern 46-Jährige nun enger Mitarbeiter seines Amtsnachfolgers Nagel würde. Der war als Polizeipräsident direkter und wichtigster Untergebener des Senators Nockemann. „Eine geradlinige Karriere ist das nicht“, spottet ein Insider. „Aber nicht unwahrscheinlich“, glaubt eine andere Stimme, die „Nockemann alles zutraut.“ Es sei gewiss „kein karrierehindernder Zufall“, dass dieser zu Wochenanfang in die CDU eingetreten sei. Und allzu viele A16-Posten im höheren Dienst seien ja nicht frei verfügbar.

Auch nicht der des Leiters der Ausländerbehörde, denn dort sitzt seit vielen Jahren der SPD-Genosse Ralph Bornhöft, dessen rigide Abschiebepraxis selbst innerparteilich umstritten ist. Zum Feindbild aller Hamburger Flüchtlingsinitiativen wurde Bornhöft ohnehin: Dass er zu lasch sei, hatten nicht einmal Schill oder Nockemann dem Sozialdemokraten jemals vorgeworfen. Dennoch soll er, so die Planspiele, seinen Posten für Nockemann räumen und auf die Position des Hamburgischen Datenschutzbeauftragten fortgelobt werden: Die ist seit über einem Jahr vakant, Amtsinhaber Hans-Hermann Schrader ist seit Erreichen der Pensionsgrenze im März 2003 nur noch kommissarisch tätig.

Polittaktisch würde dieses Personalkarussell Sinn ergeben. Überwachungsfanatiker Nockemann als Datenschutzbeauftragter würde heftige Proteste in Fachkreisen und bei der Opposition hervorrufen, an Bornhöft jedoch würde zumindest die SPD keine Kritik äußern.

An der „fragwürdigen Versorgungspolitik“ des Senats hingegen schon. Erstens müssten hohe Positionen öffentlich ausgeschrieben werden, findet SPD-Innenpolitiker Andreas Dressel, und zweitens sei Nockemann wegen seiner „ausländerfeindlichen Grundhaltung“ für den „sensiblen Bereich der Flüchtlingspolitik denkbar ungeeignet“. Der „Geist von Schill kehrt zurück“, entsetzte sich denn auch die grüne Abgeordnete Antje Möller. Nockemann sei ein „Scharfmacher“, während Bürgermeister Ole von Beust (CDU) ständig beteuere, für eine „moderne Zuwanderungspolitik“ einzutreten. Unter anderem hat von Beust im Gegensatz zu seiner Parteichefin Angela Merkel mehrfach einen möglichen EU-Beitritt der Türkei befürwortet.

Bei Nockemann klingt dies anders. Als Spitzenkandidat der Ex-Schill-Partei warnte er im Bürgerschaftswahlkampf vor der Erweiterung der EU. Denn dann, so seine Befürchtung, „hält sie keiner mehr auf, die Sinti und Roma und die aus Anatolien“.