: Der Mensch muss gehen, die Daten bleiben
Die EU-Kommission ist von der seit gut vier Monaten bestehenden Asylbewerberspeicherung ganz begeistert
BRÜSSEL taz ■ Seit dem 15. Januar 2003 ist die europaweite Datenbank für Fingerabdrücke von Asylbewerbern, kurz Eurodac, in Betrieb. Gestern legte die EU-Kommission den ersten Bewertungsbericht vor. Danach waren bei 7 Prozent der Bewerber die Abdrücke bereits im System – was bedeutet, dass die Person sich zuvor schon in einem oder mehreren anderen Schengenländern um Asyl bemüht hatte.
17.287 von knapp 250.000 – auf den ersten Blick überrascht der geringe Anteil derer, die auf mehreren Wegen versuchen, ans Ziel zu gelangen. Dabei müssen aber zwei Faktoren bedacht werden: Zum einen begann die Datei vor einem Jahr bei null; alle davor liegenden Versuche, via Asylantrag in den Schengenraum einzureisen, sind nicht erfasst. Zum Zweiten unterscheidet die Statistik nicht, wie oft eine Person vergeblich an die Schengengrenzen geklopft hat. Alles wird unter der Kategorie „Mehrfachantrag“ erfasst.
Experten aus der EU-Kommission vermuten, dass mit weiter wachsender Datenbasis der Prozentsatz der Mehrfachanträge auf zehn Prozent steigen und dann – wenn sich bei Schlepperorganisationen und in den Herkunftsländern die Wirksamkeit des Systems herumspricht – wieder deutlich sinken wird. Das Investment von 7,5 Millionen Euro für die neue Datenbank habe sich jedenfalls jetzt schon ausgezahlt. „Rechnen Sie nur die Kosten für Unterkunft und Verpflegung für die durchschnittliche Dauer des Verfahrens, also für ein Jahr, und nehmen Sie das mal 17.287“, empfiehlt Frank Paul, der bei der Kommission für IT-Systeme zuständig ist.
Das Unbehagen, das perfektionierte Datenerfassungssysteme bei Datenschützern und beim Europaparlament auslösen, dürfte sich damit kaum entkräften lassen. Auch die Sorge, ein Federstrich der Innenminister würde ausreichen, um die von Eurodac erfassten Daten anderen Organisationen wie Europol zur Verfügung zu stellen, ist nicht abwegig. Bislang sind die Fingerabdrücke allerdings mit einem Code versehen. Nur das Einreiseland kennt die Identität des Antragstellers.
Eurodac setzt um, was die Staats- und Regierungschefs im Oktober 1999 in Tampere beschlossen haben: Ein einheitliches Europäisches Asylsystem soll dafür sorgen, dass die Belastungen gleichmäßig auf die Mitgliedsländer verteilt werden. Beschlossen wurden einheitliche Mindeststandards für Asylverfahren, gemeinsame Prinzipien für den Familiennachzug und eindeutige Regeln, welches Land für einen Flüchtling zuständig ist. Ohne Datenabgleich könnte aber gar nicht festgestellt werden, wo ein Asylbewerber zuerst in den Schengenraum eingereist ist. DANIELA WEINGÄRTNER