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Archiv-Artikel

Leitung ins Nichts

Arabiata: Jordanische Kommunikationstechnologie hat ihre Tücken

Ein Mann meines Vertrauens muss einem Ingenieur seines Vertrauens 20 Euro zuschieben

AMMAN taz ■ Mein liebstes Lokal in Amman heißt „Books@Café“ – mehr wegen des leckeren Kuchens sowie des gut sortierten Literaturangebots; weniger wegen der Internetzugänge. Im Gegensatz zu Cafés gibt es Internetcafés in Jordanien wie Sand in der Wüste. Die kleine Stadt Irbid war im Jahr 2001 sogar im „Guinness-Buch der Rekorde“ verzeichnet – mit einer Straße, in der die weltweit meisten Internetcafés nebeneinander standen. 105 um genau zu sein; 105 mehr als das große Nichts, das Irbid ansonsten auszeichnet.

Also Reisende seid beruhigt: Wenn es euch ins Reich von Abdullah II. verschlägt, könnt ihr von jeder Sanddüne aus eure Elektropost nach Deutschland britzeln. Und Handys im GSM-Standard, was auch immer das heißen mag, funktionieren auch.

Probleme haben lediglich Menschen, die in Jordanien längerfristig ihre Zelte aufschlagen und sich mit dem eingeborenen Kommunikationsmarkt auseinander setzen müssen. Sie erwartet das große Irbid.

So erbat ich mir für zu Hause einen privaten Internetzugang. Prompt schickte der Anbieter „Global One“ einen Ingenieur, dessen Ingenius sich allerdings durch Absenz auszeichnete. Nach einer gut dreistündigen Sitzung mit meinem Computer und dem dazugehörigen – zugegeben unmodernen – Modem röhrte er, dass der Kasten völlig veraltet sei und daher auch nicht arbeiten werde. Das wies ich guten Gewissens von meinem Rechner; tags zuvor hatte ich mich in Deutschland mehrfach erfolgreich eingewählt. Das überzeugte sogar den „Global One“-Fachmann. Er nahm den Computer mit, „um das System zu konfigurieren“. Drei Tage später bekam ich alles zurück. Mit den Worten: „Wir haben Ihnen ein neueres, modernes Betriebssystem installiert, jetzt klappt’s!“

Das Modem funktionierte tatsächlich; das Betriebssystem erwies sich jedoch als eine englisch-arabische Ausgabe, mit deren Hilfe sich sogar arabische Buchstabenfiguren auf den Bildschirm zaubern ließen. Dafür indes war mit der deutschen Tastatur nichts mehr anfangen.

Da „Global One“ als der zuverlässigste Internetanbieter Jordaniens gilt, schob ich kamelisch-stoisch mir den Fehler zu und kaufte einen neuen Computer. Für den gelüstete es mich nach einer privaten ISDN-Leitung, damit sich der superschnelle Superrechner auch lohnte. Und bereits drei Monate nachdem ich den Antrag gestellt hatte, wurde die Leitung installiert. Kostenpunkt: Umgerechnet 500 Euro. Dafür bietet mir die „Jordan Telecom“ zwei Serviceleistungen: Die ISDN-Leitung steht etwa jede zweite Woche – und in der anderen Woche, in der sie zusammenbricht, gibt es einen Telefondienst für Beschwerden. Eine eher psychologische denn eine technische Einrichtung; die Leitungen werden jedenfalls nur instand gesetzt, wenn ein Mann meines Vertrauens einem Ingenieur seines Vertrauens 20 Euro zuschiebt.

Über Mobiltelefonnetzbetreiber könnte ich auch so einige Geschichten erzählen, beschränke mich aber auf eine: „Fastlink“ – das Unternehmen, dem ich meinen kleinen Taschenterroristen zu verdanken habe, ruft mich jeden Monat an, um mir zu erklären, das am folgenden Tag mein Telefon gesperrt würde. Zwei Tage zuvor sei die Rechnung abgeschickt worden, und ich hätte sie noch nicht beglichen. Wenngleich derartige Einwände nicht zählen, besteht in Jordanien zwischen „Abschicken“ und „Zustellen“ ein großer Unterschied, einer von gut zwei Wochen, wenn die Post überhaupt kommt. Da es den Briefträgern meistens zu heiß ist, muss ich am Ende immer wieder die Firma „Fastlink“ besuchen, um mir eine Kopie der Rechnung abzuholen. Kopien gibt es aber nicht, weil häufig die Computersysteme nebst ISDN-Leitungen abgestürzt sind, weshalb schließlich … – Sie ahnen es.

Von der internetten Terrasse des „Books@Café“, auf der ich nach einem Nerven beruhigendem Stück Kuchen die Forschungsergebnisse mit Bleistift zusammengetragen habe, grüße ich den König von Jordanien, der mit einer persönlichen Stand- und Dauerleitung in die ganze Welt sein Reich preist – als heiliges Neuland der Informationstechnologie. BJÖRN BLASCHKE