: Barrierefreiheit häufig Pustekuchen
Alte oder Menschen mit Behinderungen haben häufig Probleme, das Internet mit seinen zahlreichen Möglichkeiten zu nutzen. Dabei ist es eigentlich ganz einfach, barrierefreie Seiten zu bauen, die von allen Nutzern gelesen werden können
von VOLKER ENGELS
Wenn die Werbung laut von den unbegrenzten Möglichkeiten des Internets schwärmt, hat sie eine Nutzergruppe oftmals nicht im Blick: Menschen mit Behinderungen. Denn aufwändige Grafiken oder hoch animierte Seiten sind für viele behinderte oder alte Menschen ebenso ein Problem wie ein unübersichtlicher Seitenaufbau oder unverständlich formulierte Inhalte. Barrierefreiheit: Pustekuchen.
Und dass, obwohl Untersuchungen belegen, dass vier von fünf Menschen mit Behinderungen das Internet nutzen. Außerdem verpflichtet das Gleichstellungsgesetz seit einem Jahr die öffentliche Hand, ihre Internetauftritte so zu gestalten, dass sie „von behinderten Menschen grundsätzlich uneingeschränkt genutzt werden können“.
„Barrierefreies Internet gewinnt zunehmend an Bedeutung“, sagt Ulrike Baumann vom Verein Club Aktiv aus Trier, der die Tagung „Mehr Wert für alle“ – Internet ohne Barrieren – mitveranstaltet hatte. „Hör auf deine User und dein Internetauftritt wird schneller barrierefrei, als du denkst“, lautet eine der fünf Thesen, die die rund 150 Teilnehmer der Tagung aufgestellt haben. Denn Barrierefreiheit sei keine „komplizierte Spezialforderung, über die man sich den Kopf zerbrechen müsste“, erklärt die Projektleiterin. Der hürdenfreie Zugang bedeute nämlich nichts anderes, als dass das Internet für jeden Menschen problemlos nutzbar sein müsse. „Aufwändige Flash-Animationen nerven auch nicht behinderte Menschen“, so Ulrike Baumann. Manchmal bedarf es erst der Klagen von Usern, um für das Thema in den Blickpunkt zu rücken. So beschwerte sich 1996 ein blinder Student per E-Mail bei der Onlineredaktion des Deutschen Bundestages, „dass er Teile unseres Onlineangebotes nicht nutzen konnte“, berichtet Hans-Peter Neumann vom Referat Online-Dienste des Bundestages. Erst da durch sei auch die Onlineredaktion für „das Thema Barrierefreiheit sensibilisiert worden“. Eine Agentur setzte die barrierefreie Gestaltung der Seiten um. Das heißt zum Beispiel: Hinter Bilder oder Grafiken wurde ein Text gelegt, der den Inhalt beschreibt. Damit können auch Blinde über Braillezeilen-Geräte oder Sprachausgaben die wesentlichen Informationen des Fotos oder der grafischen Darstellung erfassen. Plenarprotokolle wurden als einfach zu lesende Textdatei dargestellt. Durch eine klare und eindeutig strukturierte Navigation wissen Besucher immer, auf welcher Ebene der Homepage sie sich befinden. Überhaupt sei es wichtig, meint Neumann, „auf Kinkerlitzchen wie blinkende oder sich bewegende Elemente“ zu verzichten.
Die Anstrengung der Bundestagsverwaltung hat sich gelohnt: Für ihren Internetauftritt erhielt sie 1999 den Gordischen Webknoten, der vom Arbeitskreis „Barrierefreies Internet“ vergeben wird. Eine Internetauftritt ohne Hürden hängt allerdings nicht alleine von technischen Voraussetzungen ab, sondern braucht häufig auch die Unterstützung der Leitungsebene: „Wir hatten immer volle politische Rückendeckung“, so Neumann. Besonders Bundestagspräsident Wolfgang Thierse habe die Barrierefreiheit „stark mitgetragen“.
Dass das Internet als Wirtschaftsfaktor eine wichtige Rolle spielt, belegt eine aktuelle Studie der Gesellschaft für Konsumforschung: Alleine in den vergangenen zwölf Monaten bestellten in Deutschland 20 Millionen Menschen Waren online. Der Gesamtumsatz im Onlinehandel, schätzt der Hauptverband des Deutschen Einzelhandels, betrug im vergangenen Jahr 8,5 Milliarden Euro. Tendenz steigend. Rund 8 Millionen Menschen mit Behinderungen und 14 Millionen Menschen über 65 Jahre sind auch unter wirtschaftlichen Aspekten eine bedeutende Gruppe. Auch soziale Institutionen informieren und werben zunehmend online für ihre Dienstleistungen.
Von barrierefreien Internetauftritten profitieren übrigens auch viele Männer. Denn ein Teil der männlichen Bevölkerung ist mehr oder minder farbenblind und mit der Aufforderung „Bitte klicken Sie auf den roten Button“ schlichtweg überfordert.
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