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Archiv-Artikel

Freihandelsstrategen im Wettlauf

EU und die südamerikanische Zollunion Mercosur wollen Verhandlungen abschließen und USA zuvorkommen

BERLIN taz ■ Ist ein Freihandelsabkommen zwischen der EU und der südamerikanischen Zollunion Mercosur wertvoller Bestandteil einer strategischen Partnerschaft für Entwicklung und Menschenrechte? Oder ist es ein weiterer Baustein der neoliberalen Globalisierungs-Agenda?

Der Mercosur vereint Brasilien, Argentinien, Uruguay und Paraguay in einer Zollunion. Seit fünf Jahren laufen Gespräche über ein entsprechendes Assoziationsabkommen mit der EU. Jetzt soll es alles ganz schnell gehen: Diese Woche wird in Brüssel verhandelt, im Oktober soll das Abkommen stehen. Denn die EU befindet sich dabei im Wettlauf mit der von den USA gewollten gesamtamerikanischen Freihandelszone FTAA. Bisher gilt in Lateinamerika aber das Abkommen mit der EU als attraktiver, weil es nicht nur Handel und Investitionen regelt, sondern auch einen politischen Dialog und Kooperation zwischen den Regionen vorsieht.

Claudia Torelli von Friends of the Earth Uruguay war anfangs ebenfalls von der Idee überzeugt: „Ich dachte, dass das Abkommen ein gutes Gegengewicht gegen die US-Vorherrschaft darstellen könnte“, sagte sie auf einer Konferenz der Grünen-nahen Heinrich-Böll-Stiftung in Berlin. Inzwischen glaubt sie, dass ein Vertrag mit der EU sich nicht mehr von einem mit den USA unterscheidet. „Anders ist nur die Kooperations- und Menschenrechtsrhetorik. Man verhandelt die gleichen Themen wie in der Welthandelsorganisation WTO und folgt der gleichen entwicklungsfeindlichen Logik: den Zugang der transnationalen Unternehmen zu unseren Märkten, öffentlichen Dienstleistungen und natürlichen Ressourcen vertiefen und festschreiben.“

Mathias Berninger, grüner Staatssekretär im Landwirtschaftsministerium und direkt an den Verhandlungen beteiligt, betonte dagegen die Chancen für den Mercosur. 50 Prozent aller lateinamerikanischen Exporte sind Agrarprodukte. Der Mercosur habe also ein großes Interesse am Zugang zum europäischen Agrarmarkt. Im Gegenzug fordere die EU bessere Bedingungen für europäische Unternehmen bei den öffentlichen Investitionen der Mercosur-Regierungen. Ein für Berninger wichtiger Nebeneffekt: Ein Abkommen mit dem Mercosur könne das Tor zur Einigung bei der WTO, die um die Doha-Handelsrunde ringt, öffnen. Klaus Schilder von der Entwicklungsorganisation Weed ist dagegen besorgt: „Wenn Brasilien unter Zeitdruck nachgibt, könnte das die Koalition der Entwicklungsländer in der WTO spalten.“ Von einem strategischen Partner Brasilien könnte die EU schließlich etwas mehr Wohlwollen erwarten.

NIKOLAI FICHTNER