: Münchner Anschlagspläne vor Gericht
Bundesanwaltschaft erhebt Anklage gegen Kameradschaft, die jüdisches Kulturzentrum attackieren wollte
FREIBURG taz ■ Generalbundesanwalt Kay Nehm hat erste Anklagen wegen des geplanten Anschlags auf das neue jüdische Kulturzentrum in München erhoben. Dies gab die Bundesanwaltschaft (BAW) gestern in Karlsruhe bekannt. Anhaltspunkte dafür, dass die Kameradschaft Süd um den Neonazi Martin Wiese in ein bundesweites „braunes Netzwerk“ eingebunden war, fand Nehm dabei nicht.
Wiese gründete die Kameradschaft Ende 2001. Ein straff organisierter Führungszirkel, der wöchentlich Wehrsportübungen abhielt, wurde intern „Schutzgruppe“ genannt. In dieser Schutzgruppe sieht Nehm eine „terroristische Vereinigung“, die eine neue NS-Diktatur angestrebt habe. Die BAW rechnet der Vereinigung zwölf Personen zu.
Als Mitglieder in dieser Gruppe wurden zunächst aber nur drei junge Frauen im Alter von 18 bis 22 Jahren und ein 18-jähriger Mann aus Bayern angeklagt. Eine fünfte Anklage erging gegen den 37-jährigen Andreas J. aus Mecklenburg-Vorpommern, der die Rechtsterroristen durch Waffenlieferungen unterstützt haben soll. Gegen Martin Wiese und acht weitere Beschuldigte wird noch ermittelt. Weitere Anklagen könnten im Frühsommer folgen. Es soll zwei getrennte Prozesse geben. Vermutlich versuchen die Ankläger im Prozess gegen die jüngeren Mitglieder Aussagen zu erhalten, die später auch gegen Wiese verwendet werden können.
Zeitweilig hatte die Gruppe geplant, die für den 9. November vergangenen Jahres geplante Grundsteinlegung des jüdischen Kulturzentrums am St.-Jakobs-Platz in München mittels eines Sprengstoffanschlag zu verhindern. Das aus Polen beschaffte TNT sollte in der Kanalisation unter dem Platz deponiert werden. Nach Medienberichten geht die Münchener Polizei davon aus, dass der Plan technisch nicht hätte realisiert werden können. Laut Bundesanwaltschaft gab die Gruppe das Vorhaben wieder auf, weil einzelne Mitglieder ins Visier der Polizei geraten waren.
Anschließend prüften die Rechtsterroristen andere Ziele, unter anderem den Münchener Marienplatz. Focus berichtete, dass sich eine der Frauen zu einem Selbstmordattentat mit einem Sprengstoffgürtel bereit erklärt habe. Laut BAW gab es aber keine konkreten Planungen. Eine der jungen Frauen hatte als Mitarbeiterin der Postbank nach Adressen linker Aktivisten geforscht. Ein anderes Gruppenmitglied spionierte die Lebensumstände des bayerischen SPD-Politikers Franz Maget aus.
CHRISTIAN RATH
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