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Archiv-Artikel

Auf der Flucht vor der Kälte

Notübernachtungen für Obdachlose sind wegen der klirrenden Kälte überfüllt. Zwei Menschen wurden mit Erfrierungen behandelt. Manche wollen weiter draußen schlafen

In der bisher kältesten Nacht des Jahres war die Notübernachtung der Berliner Stadtmission überfüllt. 118 Obdachlose suchten bei Temperaturen unter minus 15 Grad im Quartier nahe dem Hauptbahnhof Schutz, sagte am Mittwoch Thomas Winistädt, Sprecher der Stadtmission. Finanziert seien pro Nacht nur 60 Plätze. „Wir weisen aber niemanden ab“, ergänzte Winistädt.

Zwei Menschen in der Notübernachtung hatten Erfrierungen an den Füßen, weil ihre Schuhe nicht warm genug waren. Eine Ärztin behandelte die Verletzungen. Trotz der Minusgrade lehnten es einige Obdachlose aber weiter ab, sich mit dem Kältebus in eine Unterkunft fahren zu lassen, berichtete der Sprecher. „Sie möchten ihren Platz nicht verlieren oder sind überzeugte Einzelgänger.“ Auch drei Frauen schliefen konsequent weiter draußen – auf Parkbänken oder in Hauseingängen.

Die Kältehilfe für Menschen ohne Wohnung ist in Berlin gut ausgebaut. Seit 1989 bieten Wohlfahrtsverbände, Kirchen und Vereine in Zusammenarbeit mit der Gesundheitsverwaltung Hilfe in vielen Bezirken an – von Suppenküchen über Wärmestuben bis hin zu Notübernachtungen. Schätzungen gehen von 3.000 Obdachlosen in Berlin aus, von denen wenige hundert ausschließlich auf der Straße leben. Rund 80 Prozent von ihnen sind Männer.

Die Ärztin Jenny De la Torre, die im Bezirk Mitte vor zwei Jahren ein Gesundheitszentrum für Obdachlose eröffnete, geht von weit mehr hilfsbedürftigen Menschen aus. „Wir haben jedes Jahr rund 500 neue Patienten. Und die Zahl nimmt weiter zu“, berichtete sie am Mittwoch. Derzeit behandelt De la Torre rund 30 Obdachlose pro Tag. „Meist geht es um infizierte Wunden, Erkältungen und Lungenprobleme“, erzählte sie. Erfrierungen seien dagegen sehr selten. „Das habe ich bisher kaum erlebt.“ Die Kleiderkammer des Zentrums leere sich allerdings zusehends. „Ein paar warme Decken haben wir noch, aber das wird nicht reichen“, sagte die Ärztin.

Rund 260 Übernachtungsplätze für Obdachlose gibt es pro Winternacht in Berlin, einige speziell nur für Frauen. In allen Notunterkünften gilt ein striktes Alkoholverbot. Bei der Stadtmission müssen Flaschen zum Einlass abgegeben werden. Nach dem Frühstück erhalten die Übernachtungsgäste ihre Vorräte am Ausgang zurück. DPA