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Archiv-Artikel

Guter Rat im Überfluss

Rund 35 Millionen Euro gab Berlin seit Herbst 2001 für Berater aus. Grüne kritisieren: Viele Gutachten sind unnötig oder doppeln sich. Laut Senat sind externe Prüfungen jedoch notwendig und sinnvoll

VON RICHARD ROTHER

Spätestens seit dem Skandal um Beraterverträge bei der Agentur für Arbeit sind sie ins Gerede gekommen: die Berater. Nun also auch in Berlin. „Viele Gutachten sind absolut überflüssig“, kritisierte gestern der Grünen-Haushaltsexperte Oliver Schruoffeneger. Dies gehe aus einem Bericht von Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) an die Parlamentarier des Abgeordnetenhauses hervor.

In der laufenden Legislaturperiode wurden demnach 183 Gutachten für die Hauptverwaltung und 88 Gutachten für die Bezirke erstellt. Kostenpunkt: rund 35,2 Millionen Euro. Der Erkenntnisgewinn gehe aber „oft gegen Null“, so Schruoffeneger – etwa in einem Kita-Gutachten, das zum wiederholten Male mögliche Rechtsformen für Kitas aufliste und erkläre. Groß in Mode scheine das „Klonen“ von Gutachten zu sein. So ließen sich in manchen Berichten identische Formulierungen aus vorangegangenen Gutachten finden.

Häufige Begründung für die Beauftragung ist laut Bericht die „fehlende kurzfristig spezifische Fachkompetenz“ der Verwaltung. Besonders absurd sei etwa ein 200 Euro teures Kleinstgutachten für Vermessungsarbeiten gewesen, das das Bezirksamt Reinickendorf vergeben habe, so Schruoffeneger. „Die ganze Abwicklung des Vorgangs ist sicherlich aufwändiger als das Gutachten selbst.“ Allerdings gebe es auch sinnvolle Gutachten, räumt er ein. Etwa wenn es um die Zukunft der Bankgesellschaft oder den Verkauf von Wohnungsbaugesellschaften gehe.

Auf derartige Gutachten entfallen allerdings nach Angaben der Finanzverwaltung ein Großteil der Kosten. So sind demnach allein 13,1 Millionen Euro für Beratungen und Prüfungen im Zusammenhang mit der Krise der Bankgesellschaft ausgegeben worden. Zweitgrößter Komplex ist ein neues von der EU vorgeschriebenes EDV-System für die Betreuung von EU-Fördermaßnahmen.

Sarrazin-Sprecher Matthias Kolbeck wies die Grünen-Kritik gestern zurück. „Wir haben keine überproportional hohen Ausgaben für Gutachten.“ In vielen Fällen sei Sachverstand von außen nötig. Entweder weil der in der Verwaltung nicht vorhanden sei oder wenn es um das so genannte „change management“ gehe. Im Klartext heißt das: Wer Verwaltungsabläufe straffen will, kann damit nicht Mitarbeiter beauftragen, die vielleicht um ihren Job fürchten.

Ein Beispiel ist der Stellenpool im öffentlichen Dienst, der bundesweit einmalig ist. In diesem werden überzählige Verwaltungsmitarbeiter zusammengefasst, um dorthin geschickt werden zu können, wo Arbeitskräfte gebraucht werden. Kolbeck: „Ohne externe Beratung hätten wir das nicht machen können.“

Allerdings könne es auch den einen oder anderen Beratervertrag geben, dessen Ergebnis „nicht zielführend“ sei, räumt Kolbeck ein. Aber auch hier gebe es Handlungsoptionen: „Entweder es wird nachgebessert, oder wir zahlen nicht.“