piwik no script img

Archiv-Artikel

Klassische Verbürgerlichung

betr.: „Adieu, Undergroundstigma. Das Bundesarbeitsgericht in Erfurt gibt einem schwulen Kläger Recht“, tazzwei vom 3. 5. 04

Unter dem Aspekt der Gleichberechtigung ist das Urteil zum höheren Ortszuschlag für Verheiratete wie auch verpartnerte Schwule und Lesben zu begrüßen. Für diese Meldung hätte eine Kurznachricht genügt.

Wer das Urteil aber über fast eine Seite abfeiert, hätte auch mal ein paar Worte über durch das Urteil zementierte Ungerechtigkeiten und wirtschaftliche Unvernunft verlieren dürfen. Es ist inzwischen nicht mehr gerechtfertigt, öffentliche Gelder für eine Eheschließung oder Verpartnerung zu vergeuden. Wichtiger ist das Geld in den Bereichen Kindererziehung und Bildung. Es war schon immer verkehrt Tarifgehälter z. B. an Alter, Familienstand und Kinderzahl zu binden. Entsprechende Leistungen sind – wenn überhaupt – gesamtstaatliche Aufgabe und somit über Steuern zu finanzieren. Wer – auch mangelhafte – Sozialpolitik über Tarifpolitik repariert, darf sich nicht wundern, wenn Eltern, ältere ArbeitnehmerInnen und Verpartnerte schlechtere Chancen auf dem Arbeitsmarkt haben. Deren Gehälter sind dann ohne entsprechende Gegenleistung teurer als die von jungen Singles. Wer jetzt glaubt, dass sich deshalb verpartnerte Lesben und Schwule politisch gegen höheren Ortszuschlag und Ehegattensplitting wenden, der irrt. Der Autor hat nämlich Recht, wenn er das Urteil als einen weiteren Schritt der klassischen Verbürgerlichung Homosexueller feiert. Gut bürgerlich eingerichtet, werden auch Schwule und Lesben nicht auf ihre Pfründen verzichten. AXEL HOGH, Hannover