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Archiv-Artikel

Kita-Glück auf Pump

Amtshilfe: Jugendsenator Lange bekam Finanzspritze, um Gutschein-System zu retten. Sprachförderung allenfalls in homöopathischen Dosen

3900 Gutscheine sind bis zum 1. August versprochen, aber noch nicht finanziert

von KAIJA KUTTER

Die Kita-Welt ist in Ordnung, so las sich die Erfolgsbotschaft, mit der Bildungssenator Rudolf Lange (FDP) Hamburgs Eltern ins Wochenende schickte. Nicht nur, dass das neue System mit rund 50.000 Gutscheinen angeblich mehr Kinder denn je mit einem Platz versorge. Lange sicherte auch zu, dass die verbliebenen 3900 Anträge berufstätiger Eltern bis zum Systemstart am 1. August „voraussichtlich positiv“ beschieden werden.

Nach taz-Informationen trennen Hamburgs Eltern jedoch noch einige Millionen Euro von diesem Kita-Glück. So habe Lange die 50.000 Gutscheine nur ausgeben können, weil er bei Finanzsenator Wolfgang Peiner (CDU) einen „Notgroschen“ in zweistelliger Millionenhöhe locker gemacht habe. Es ist zu vermuten, dass der Ex-Admiral dieses Geld im Kita-Etat 2004 verrechnen muss und den Geldfluss deshalb offiziell nicht bestätigt.

„Der Senator würde den Platzabbau auf 2004 verschieben. Ob dem so ist, wird sich bei den Haushaltsberatungen zeigen“, erklärt Thomas Böwer. Der SPD-Politiker spricht jetzt bereits von 4000 abgebauten Plätzen, weil es im alten System mit knapp 54.000 eben doch mehr Plätze gab und die „voraussichtlich“ versprochenen 3900 Gutscheine noch nicht finanziert seien.

Langes Rechnung vom Kita-Glück für Berufstätige auf Pump könnte sogar aufgehen. Denn 2004 beginnt erst der soziale Kahlschlag im System. Kinder von nicht doppelt berufstätigen Eltern oder berufstätigen allein Erziehenden haben dann keinen Anspruch mehr auf einen Krippen- oder Hortplatz und auch nicht auf mehr als vier Stunden Betreuung für Drei- bis Sechsjährige. Mit Rücksicht auf die Kita-Träger und um den Eklat einer Rausschmisswelle zu vermeiden, wurden hier Übergangsfristen gewährt, die von Januar bis Juli 2004 schrittweise auslaufen.

Als besonders stark betroffen gelten Wohngebiete mit hohem MigrantInnenanteil und geringer Frauenerwerbsquote. Kita-Fachreferent Volker Schmidt von der Arbeiterwohlfahrt spricht beispielsweise von einem MigrantInnenanteil von 95 Prozent in St. Pauli. Hier könnten in einer Ganztagsgruppe nur drei von 20 Kindern ihren alten Platz behalten, die übrigen würden auf vier Stunden Mindestbetreuung herabgestuft, berichtete Schmidt kürzlich bei einer Kita-Anhörung im Bezirk-Nord. Konzept des Senats ist es, Sprachförderung künftig in den Halbtagskindergärten zu intensivieren. Doch auch hier, so Schmidt, sei die Summe mit zwei Millionen Euro so gering, dass die Kinder allenfalls in „homöopathischen Dosen“ gefördert werden könnten.

Diese Einwände erhalten neue Brisanz durch die Zahlen einer kleinen Anfrage der SPD. Von Lange stets hervorgehoben wurde „Priorität 3“, die Kindern nicht-deutscher Muttersprache einen Ganztagsplatz zubilligt, wenn sie mit viereinhalb Jahren noch nicht in einer Kita waren. Das Kriterium ist so eng gefasst, dass danach hamburgweit nur 18 Gutscheine vergeben wurden.

Exakt 2295 Gutscheine wurden für Priorität 1, „dringender sozialer Bedarf“, verteilt. Der sonstige soziale Bedarf der „Priorität 6“ wird gar nicht mehr befriedigt. Zu rot-grünen Zeiten gab es für beide Bedarfe zusammen 8000 Plätze (ISKA-Studie).

Eher bescheiden mit 225 Gutscheinen wurde die „Priorität 2“, die Arbeitsaufnahme nach Sozialhilfebezug, bewilligt. Hier rächt sich, dass in der Bildungsbehörde keine Familienpolitiker sitzen, die die Situation von allein Erziehenden im Blick haben. Denn früher bekamen diese zur Entlastung auch dann einen Platz, wenn sie noch auf Arbeitssuche waren. „Ich hetze mir die Füße ab, um Arbeit zu finden, damit meine Kinder in der Kita bleiben können“, berichtete die alleinerziehende Mutter zweier Jungen (3 und 10 Jahre) auf besagter Anhörung im Bezirk-Nord. Sie brauche die Plätze aus pädagogischen Gründen, fände aber schlicht keinen Job. Kommentar von FDP-Jugendpolitiker Leif Schrader, der die Regierung vertrat: „Das Problem ist nicht das Kita-System, sondern, dass es Arbeitslosigkeit gibt.“