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Archiv-Artikel

Große Hoffnung Amerika

Misan Nikagbatse hatte keine schlechten Chancen, als Basketballer bei der NBA zu landen. Doch dann verletzte er sich

Die Nacht von Donnerstag auf Freitag dieser Woche hätte die spannendste im Leben von Misan Nikagbatse werden können. Nervös hätte er auf Nachrichten aus den USA gewartet, die ihm verraten hätten, wie es um seine Bewerbung steht, in die Profiliga NBA aufgenommen zu werden. Doch Nikagbatse, der beim TuS Licherfelde heranreifte und einmal für den Kader von Alba Berlin vorgesehen war, muss seine Nacht der Nächte um ein Jahr verschieben. Er hat sich beim Training in Berlin am Knöchel und der Wade verletzt. Er war danach so klug, die Anmeldung zum NBA-Draft zurückzuziehen.

Zum Draft melden sich junge Spieler aus aller Welt an, um nach einem Verteilungsschlüssel an die Mannschaften der NBA vergeben zu werden. Es gibt 30 NBA-Teams. Jedes greift zweimal zu auf der großen alljährlichen Talentbörse. Beste Chancen auf ein Engagement in der besten Liga der Welt haben jene Nachwuchsspieler, die in der ersten Runde genommen werden.

Die Übriggebliebenen können nur hoffen, irgendwann mal über Umwege in die NBA zu kommen. Ihre Aussichten stehen eher schlecht. Nikagbatse (20) wollte das Risiko, nur 2. Wahl zu sein, nicht eingehen. „Man braucht das richtige Timing für den Einstieg in die NBA“, sagt er. Man dürfe nichts überstürzen.

Er hat das schlechte Vorbild vor Augen. Letztes Jahr probierte es der 2,12 Meter große Peter Fehse (damals SV Halle) mit einer ähnlichen Verletzung und gegen den ausdrücklichen Rat vieler Betreuer. Er landete im Feld der Abgeschlagenen. Die Seattle Supersonics nahmen ihn unter Vertrag, aber das heißt noch gar nichts. Diese Saison spielte Fehse nur zweitklassig in Frankfurt. „Er ist ziemlich geerdet worden“, berichtet ein Bekannter Fehses. „Ich wollte kein zweiter Fall Fehse werden“, sagt Nikagbatse, „man braucht Geduld.“

Vielleicht liegt es an seiner Rolle auf dem Parkett, dass er mehr Übersicht als ein Center aufbringt – auch außerhalb einer Basketballhalle. Nikagbatse ist Playmaker, er soll das Spiel dirigieren, seine Mitspieler mit gewieften Pässen füttern und die richtigen Spielsysteme in der richtigen Situation initiieren. Nikagbatse ist derzeit bei Snaidero Udine beschäftigt. Nachdem er Tusli recht überstürzt und nicht zur Freude seiner Mentoren verlassen hat, kam er kurzzeitig in Spanien unter, wechselte dann nach Griechenland und spielt jetzt in Italien. Es wird nicht seine letzte Station sein, denn in Udine muss er von seiner angestammten Position des Spielmachers abweichen und andere Aufgaben übernehmen.

Bundestrainer Henrik Dettmann legt ihm deswegen einen Vereinswechsel nahe, damit der Nationalspieler auch wirklich als Point Guard spielt. „Er hat das Zeug für die NBA, das hat seine gute WM gezeigt, er muss allerdings sein Potenzial weiter ausbauen“, sagt Dettmann. „Er muss seine Rolle leben.“ Die Weltmeisterschaft im Jahr 2000 deutete Nikagbatses Möglichkeiten an. Spektakulär sein Dunk über den chinesischen Center Yao Ming (2,26 m). Nikagbatse, Sohn einer Finnin und eines Nigerianers, ist 31 Zentimeter kleiner.

Nikagbatse wird von der New Yorker Agentur Entersport betreut. Ohne die Verletzung hätte er eine Trainingstour durch die USA unternommen, mit Stopps bei den Dallas Mavericks, den Boston Celtics und den L.A. Clippers. Dann hätten ihn die NBA-Späher noch einmal vor Ort in Augenschein nehmen können und womöglich ihre Berichte korrigiert, in denen es heißt, er sei ein talentierten Spieler, agiere aber zu eigensinnig und solle, statt einen Wurf zu nehmen, lieber zum Nebenmann passen.

Die Agentur hat bereits einige Europäer erfolgreich an die NBA vermittelt, den Russen Andrei Kirilenko (Utah Jazz), den Georgier Nikoloz Tsikishvili (Denver Nuggets) beispielsweise oder den Franzosen Tony Parker. Parker ist nur zwei Monate älter als Nikagbatse – und hat es geschafft. Er führte die San Antonio Spurs auf der Position des Spielmachers zum NBA-Titel. Nur in den letzten Finalspielen gegen die New Jersey Nets baute Parker etwas ab. „Es ist ein Wahnsinn, was der für Leistungen bringt“, sagt Misan Nikagbatse, dem Parker mächtig imponiert. „Die Reife, solch ein Team zu führen, hätte ich auch gern.“

MARKUS VÖLKER