Im Maghreb der Liebe und der eigenen Sehnsucht wegen

Ein Buch über maghrebinisch-deutsche Partnerschaften. Ein praktischer Ratgeber für das Leben im fremden Land. Die Autorin Renate Fisseler-Skandrani, Dozentin für Deutsch und Geschichte, lebt in Tunesien und kennt die Fallstricke interkultureller Beziehungen aus eigener Erfahrung

Ein kompetenter Ratgeber für das Leben auf der andere Seite des Mittelmeers

Der Liebe wegen ziehen vor allem Frauen in die Maghrebländer Marokko, Algerien, Tunesien. Sie haben ihren Partner als Urlauberinnen im fremden Land kennen gelernt, oder sie sind ihm hier in Deutschland, wo er arbeitete oder studierte. Für diejenigen, die sich im Maghreb niederlassen, ist das neue Land meist völlig unbekannt. Weder kennen sie die Herkunftsgesellschaft ihres Partners, die Werte, Normen und Erwartungen seiner Gesellschaft, noch die dort herrschenden Rahmenbedingungen wie Scheidungsrecht, Familienrecht oder Aufenthaltsbedingungen. Oft ist es eine Liebe im Blindflug. Ein Ratgeber, herausgegeben vom Verband binationaler Familien und Partnerschaften, iaf e. V., informiert binationale Paare über Gesellschaft und Rahmenbedingungen in den Maghrebländern mit Zahlen, Daten, Fakten und Adressen.

Die Autorin Renate Fisseler-Skandrani, Dozentin für Deutsch und Geschichte, lebt in Tunesien und ist mit einem Tunesier verheiratet. Sie kennt die Fallstricke interkultureller Beziehungen aus eigener Erfahrung und ihrer langjährigen Arbeit im Verein deutscher Frauen in Tunesien. Sie beschreibt beispielsweise, dass in Tunesien im Gegensatz zu Marokko und Algerien die Polygamie gesetzlich verboten ist, erklärt, wie Verstoßung und gerichtliche Scheidung funktioniert, wie das Erbe geregelt ist und das Sorgerecht für Kinder. Sie erläutert Arbeitserlaubnis und Aufenthaltsberechtigung für Deutschland und den Maghreb. Diese rechtlichen Informationen bettet sie in Geschichte und Struktur der Gesellschaft ein.

Doch der Ratgeber ist nicht nur eine sehr informative Faktensammlung, er bietet auch persönliche Erfahrungsberichte deutscher Frauen über das Leben und den Alltag im Maghreb. Ganz unterschiedliche Erfahrungen, geglückte und weniger geglückte Beziehungen, erfolgreiche und weniger erfolgreiche Integration in die maghrebinische Gesellschaft – eine Vielfalt von Lebensentwürfen, die zeigen, dass Begegnung nichts mit Klischees und Stereotypen zu tun hat, sondern von Menschen gestaltet werden. Alle Erfahrungsberichte erzählen von den Lehrjahren einer manchmal schwer zu ertragenden persönlichen Infragestellung. Sie berichten von Einsamkeit, dem schmerzhaften Prozess der Auseinandersetzung und Annäherung, dem Akzeptieren von Fremdheit und der eigenen Andersartigkeit, aber auch von der Bereicherung durch die andere Kultur.

Die Erfahrungsberichte zeigen auch, dass alle Frauen über die Beziehung zu einem Mann hinaus im fremden Land irgendetwas für sich finden, was sie gesucht haben. Sei es der Wunsch nach konventionellen Strukturen, nach Familie, Exotik oder einfach nach dem Süden und seiner entspannteren Lebensart. „Hier, wo Freizeit noch kein teurer Luxus ist, habe ich die Muße für einen Plausch auf der Straße oder im winzigen Laden um die Ecke, kann uneingeladen jederzeit meine Nachbarin besuchen, und sie lassen mich nicht gehen, ohne mir noch eine Schüssel Kuskus, Granatäpfel oder Zitronen mitzugeben“, schreibt Antje, die trotz Trennung von ihrem Mann in Tunesien blieb.

Diese vielschichtigen Prozesse durchleben auch die Kinder aus binationalen Ehen, die zwei Wertsysteme erlernen. Das Fazit einer jungen Deutsch-Tunesierin, aufgewachsen in Tunis: „Zwei verschieden Arten, die Welt wahrzunehmen und das Leben anzugehen. Ich habe das Gefühl , dadurch Offenheit und Verständnis für andere Menschen, Kulturen und Lebensumstände zu gewinnen, die ich sonst vielleicht gar nicht erreichen könnte.“

Renate Fisseler-Skandranis Ratgeber ist ein kompetenter und kluger Begleiter für alle, die es auf die andere Seite des Mittelmeers verschlägt. EDITH KRESTA

Renate Fisseler- Skandrani: „Die Maghrebländer – Marokko, Algerien, Tunesien“. Ein Ratgeber, herausgegeben vom Verband binationaler Familien und Partnerschaften, iaf e. V., 181 Seiten, 12,90 E