EU-BALKAN-GIPFEL: DIE AUSSICHT AUF DEN BEITRITT HILFT NUR KURZFRISTIG : Europa löst keine Probleme
Der Gipfel von Thessaloniki hat den Balkanstaaten die EU-Mitgliedschaft in Aussicht gestellt. Das wird die EU-Begeisterung der Balkanländer zunächst steigern und den Reformbemühungen in der Krisenregion Auftrieb geben. Bereits in Thessaloniki kündigten die bislang verfeindeten Regierungen von Belgrad und Priština an, Ende Juli erstmals direkte „technische Gespräche“ über das Kosovo aufzunehmen. Europa soll der Hebel sein, mit dem sowohl die EU als auch die Balkanregierungen alle Probleme lösen wollen – von den ethnischen Spannungen bis zur wirtschaftlichen Unterentwicklung. Bisher sieht es allerdings nicht so aus, dass diese Strategie funktioniert.
Schon der Stabilitätspakt für Südosteuropa, das Vorzeigeobjekt gesamteuropäischer Außenpolitik, hat nicht den Effekt gezeigt, den man sich erhofft hatte: Die Projekte brauchen zu ihrer Realisierung mehrere Jahre. Die Hilfsgelder verpuffen oft ohne Wirkung. Der wirtschaftliche und institutionelle Aufbau der Region stockt. Von der Zukunft des Stabilitätspakts war in Thessaloniki nichts zu hören.
Das politische Gewicht hat sich zugunsten des von der EU-Kommission gelenkten Stabilisierungs- und Assoziierungsprozesses verschoben. Doch auch der ist keine Erfolgsstory. Bislang haben nur Mazedonien und Kroatien mit der Union ein Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen abgeschlossen. Doch die Ratifizierung ist seitens der EU ausgesetzt. Mit den anderen Staaten, Albanien, Serbien-Montenegro und Bosnien-Herzegowina, sind noch nicht mal Verhandlungen angelaufen.
Ersetzt die EU also handfeste Politik durch ein vages europäisches Versprechen, das man in der Zukunft eventuell gar nicht einlösen kann? Eigentlich nicht, denn die EU hat es abgelehnt, ein konkretes Beitrittsdatum zu benennen. Sie will, dass die Regierungen und staatlichen Institutionen in der Region selbst mehr Verantwortung übernehmen. Dabei ist jedem Realisten klar: Der Beitrittsprozess wird aufgrund der enormen strukturellen Defizite zehn bis fünfzehn Jahre dauern. Die große Gefahr ist, dass der europäische Schwung in Südosteuropa so lange nicht anhalten wird. Das Beitrittsziel 2007, ausgegeben von manchen Balkanregierungen, ist jedenfalls utopisch. Nur das höher entwickelte Kroatien wird da die Ausnahme von der Regel sein.
Bei näherem Hinsehen erweist sich der Thessaloniki-Gipfel als Versuch, die Krise der EU-Balkanpolitik zu überwinden. Er bot weniger einen visionären Entwurf für die Zukunft. Vielmehr war er die Fortsetzung des langsamen Vorantastens in der Krisenregion, die für die EU seit ihrem Bestehen der Prüfstein ihres europapolitischen Konzepts war. HEIKO HÄNSEL