: Paradoxer Markt
Die Kapitalmärkte belohnen das solide Branchenwachstum der erneuerbaren Energien schlecht. Insbesondere die Zugpferde Solar- und Windenergie werden von Investoren paradox behandelt
Die empfindlichen Kurskorrekturen, die die an der Börse notierten Unternehmen des Bereichs erneuerbare Energien in den letzten drei Jahren hinnehmen mussten, scheinen unvermindert anzuhalten. Paradoxerweise haben diese Unternehmen trotz realwirtschaftlich gutem Leistungsausweis in der Regel noch stärker gelitten als der insgesamt schwache Gesamtmarkt.
Ohne Zweifel gab es aus der Unternehmenswelt der erneuerbaren Energien unerfreuliche Nachrichten zu verdauen. So mussten etwa einzelne Firmen ihre allzu optimistischen Gewinnerwartungen massiv zurückschrauben, wofür sie prompt von den ohnehin schon nervösen Märkten bestraft wurden. Dennoch lässt sich die These untermauern, dass Börsenperformance und Realwirtschaft im Bereich der erneuerbaren Energien ungerechtfertigterweise auseinander klaffen.
Im vergangenen Jahr konnte die Windkraftbranche die 2001 erzielten Zubaurekorde zwar nicht mehr ganz erreichen. Mit 22 Prozent Wachstum hat die weltweit installierte Windkraftkapazität jedoch auch 2002 eindrucksvoll zugelegt (Windpower Monthly, Januar 2001). Dabei hatte einmal mehr Europa die Nase vorn: Insgesamt wurden Windkraftanlagen mit einer Erzeugungskapazität von über 23.000 Megawatt errichtet. Das entspricht einer Zunahme um stattliche 33 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Die Lokomotive in der europäischen Windindustrie war wieder Deutschland: Mehr als 55 Prozent der in Europa installierten Windkraft wurde hier zugebaut.
Dem deutschen Markt wird bisweilen verfrüht und zu Unrecht der Kollaps vorausgesagt. Das erst langsam im Aufbau begriffene Offshoresegment hat im Moment tatsächlich noch zu wenig Zugkraft, um die allmählich abnehmende Projektflut im Binnenland zu kompensieren. Dennoch verweist die erneut und unbeirrt in einem gesamtwirtschaftlich schwachen Umfeld erzielte stolze Zuwachsrate von 37 Prozent von 2002 auf das Potenzial, das in Deutschland noch immer in der Windkrafttechnologie schlummert. Im Jahr 2001 hatte die Zuwachsrate 44 Prozent betragen.
Auch bei der Solarenergie sprechen die Fakten eine andere Sprache als die Börse. Die Solarzellenproduktion, ein zuverlässiger Gradmesser für die Leistungsfähigkeit dieser Industrie, hat im vergangenen Jahr weltweit mit 35 Prozent genauso stark zugelegt wie im Vorjahr (Photon International, März 2003). Allerdings hat sich die vorsichtige Einschätzung des wichtigen deutschen Markts bewahrheitet. Dies gilt insbesondere für die nachgelagerten Wertschöpfungsschritte, wie zum Beispiel Modulproduktion und Systembau. Hier haben der Aufbau von Überkapazitäten, die gedämpfte Nachfrage sowie die scharfe Konkurrenz japanischer Anbieter die Preise und damit auch die Margen der Hersteller unter Druck gesetzt.
Anders als bei der Windenergie ist der Markt in Deutschland zwar auch bei der Solarenergie wichtig – aber er ist nicht alles entscheidend. Das geringere Wachstum in Deutschland wurde durch die Entwicklung in den USA, die besser ausfiel als erwartet, sowie durch das robuste Wachstum in Japan praktisch vollständig kompensiert.
Woran also liegt es, dass die Aktientitel im Segment der erneuerbaren Energien an den Börsen dermaßen hart abgestraft werden? Eine mögliche Erklärung liefert neben den erwähnten firmenspezifischen Einzelfällen in erster Linie die Psychologie der Börsen: Investoren sind in turbulenten Börsenzeiten besonders risikoscheu und wenden sich scharenweise von Wachstumsfirmen ab, die sie in der Aufschwungphase, in den 90er-Jahren, in den Himmel gelobt haben.
In dieser Situation lautet die Lösung für private und institutionelle Anleger „Private Equity“. Denn die darauf spezialisierten Beteiligungsgesellschaften, die zum überwiegenden Teil in nicht börsennotierte Unternehmen investieren, messen den Erfolg ihrer Portfoliofirmen einzig am tatsächlichen Erreichen definierter Geschäftsziele. Von Stimmungsschwankungen an der Börse sind sie unabhängiger.
Die Vorteile von Private-Equity-Investitionen kommen besonders in der Börsenbaisse zum Tragen: Die enge Zusammenarbeit zwischen Beteiligungsgesellschaft und Portfolio-Unternehmen führt zu einer verbesserten Informationslage und Kontrolle über den tatsächlichen Geschäftsverlauf. Andererseits müssen die Unternehmen ihre Ressourcen nicht an eine vierteljährliche Berichterstattung für die zunehmend nervöser werdende Analystengemeinde verschwenden, sondern können sich ganz auf ihr Geschäft konzentrieren. Seriös geführte Beteiligungsgesellschaften sind daher sowohl für Firmen als auch für Investoren ein Weg, um tragfähige Unternehmenswerte zu schaffen. ANDREAS KNÖRZER
Der Autor ist Direktor und Leiter Sustainable Investment der Schweizer Bank Sarasin & Cie AG, Basel