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Archiv-Artikel

Helm auf zum Gebet

Aufsuchende Sozialarbeit: Pastoren und Gemeindemitarbeiter zu Besuch bei den Stahlwerken. Im Gespräch mit Vorstand und Betriebsrat wollten Kirchenleute wissen, wie sich Globalisierung anfühlt und ob Hilfe angebracht ist

taz ■ Am Ende konnte man die Besucher nur noch am eher intellektuell geformten Brillengestell erkennen. Ansonsten sahen die PastorInnen, die gestern zum Lokaltermin bei den Stahlwerken antraten, aus wie echte Arbeiter: Mit weißem Helm, Schutzbrille und blauem Kittel marschierten sie voller Neugier durch das Warmwalzwerk der Bremer Hütte, in dem rot glühende Stahlplatten und zischende Walzen der sommerlichen Schwüle noch eins draufsetzten.

Dabei war es freilich nicht die Sehnsucht nach Industrieromantik, die die Kirchenleute in das vor gut einem Jahr im Arcelor-Konzern globalisierte Stahlwerk trieb. „Was kommt auf uns als Kirche zu, wenn die geplanten Stelleneinsparungen vorgenommen werden?“, formulierte Jürgen Seippel vom ‚Kirchlichen Dienst in der Arbeitswelt‘ die Kernfrage. Fast wehmütig erinnerte er an die Solidarität der Kirchen und der Bremer Bevölkerung mit den Stahlwerkern vor gut zehn Jahren, als schon einmal das Aus drohte. „Ist das Aufstehen einer Stadt heute nutzlos, weil die Zentrale zu weit weg ist?“

Die Unterrichtstunde in ‚Globalisierung konkret‘ – so der Titel des Gesprächs zwischen Bremischer Evangelischer Kirche, Betriebsräten und Vorstand – lehrte die Pastoren mindestens eines: Leitung und Betriebsrat rücken eng zusammen, wenn die Gefahr von einer Konzernspitze in Luxemburg dräut. Sowohl Uwe Schmidt vom Vorstand als auch der Betriebsratsvorsitzende Michael Breidbach vertraten überzeugt das „Fit-Programm“, nach dem 1.700 von 4.800 Jobs in den nächsten Jahren abgebaut werden müssen. Durch Arbeitszeitverkürzung, schmackhafte Abfindungen, vor allem aber durch Altersteilzeit sollen betriebsbedingte Kündigungen verhindert werden. „Wir verfügen inzwischen über so viele Beteiligungsformen“, so Vorständler Schmidt zur Zusammenarbeit mit dem Betriebsrat, „dass kaum noch einer weiß, von wem eigentlich welche Idee stammt“. So sei es gelungen „die Hälfte des notwendigen Personalabbaus zu erreichen, ohne dass jemandem wehgetan wurde“.

Das mochten nun allerdings Seippel und seine Kollegen aus den Gemeinden in Oslebshausen, in Gröpelingen und in Walle nicht recht glauben. „Was im Betrieb richtig gut klingt, geht zu Hause ins graue Elend über“, prophezeite Seippel die Situation derer, die demnächst in die vorzeitige Rente gehen. Volker Keller, Pastor in Vegesack, erinnerte an die Pleite der Vulkan-Werft. „Wir haben damals eine Beratung eingerichtet, die sowohl für praktische Fragen wie für die Seelsorge zuständig war – vielleicht müssen wir hier Ähnliches machen.“ Aber auch der Betrieb selbst müsse sich um die sozialen Folgen der Rationalisierung kümmern. Betriebsrat Horst Meyerholz griff die Hinweise dankbar auf: „Sie haben auf eine entscheidende Lücke hingewiesen“, gab er zu und versprach unbestimmt: „Wir werden uns um dieses Problem kümmern.“

Auch Vorstands-Mann Uwe Schmidt nickte beifällig und entließ die Gruppe in den Rundgang. Dass dieser ausgerechnet durchs Warmwalzwerk ging, eine Abteilung, die fast ohne menschliche Arbeitskraft auskommt, wird wohl Zufall gewesen sein. Elke Heyduck