: Berlintypische Eigeninitiative
Nach dem Erfolg vom Vorjahr findet der „Designmai“ nun zum zweiten Mal statt. Im Mittelpunkt stehen dabei Formgeber aus den EU-Beitrittsländern. Einziges Manko: Die Veranstaltungen sind so vielfältig, dass es schwierig ist, den Überblick zu behalten
VON MICHAEL KASISKE
Dass nach dem Erfolg des erstmals im letzten Jahr initiierten Designmai die Folgeveranstaltung nicht auf sich warten lassen würde, ist wenig erstaunlich. Irritierend war hingegen eine eigentümliche Selbstgefälligkeit, die in mangelnder Kommunikation im Vorfeld ihren Ausdruck fand. Die zahlreichen Akteure übten sich freilich nicht im Murren, sondern handelten selbst. So ist es wieder einmal berlintypischer Eigeninitiative zu verdanken, dass ein umfangreiches Programm – insgesamt kommen über 130 Ausstellungen zusammen – verwirklicht wird.
Im Mittelpunkt steht eine Ausstellung im Designmai Forum, die – passend zum politischen Geschehen – mit EU+ das diesjährige Motto im Titel trägt. In einer Ausstellungsgestaltung des Berliner Designers Werner Aisslinger werden Formgeber aus den Beitrittsländern präsentiert. Das Designmai Auditorium, ein täglich wechselndes Begleitprogramm, bietet flankierend mit Veranstaltungen wie „Unauffällig kraftvoll – Designstrategien aus kunsthandwerklich geprägten Ländern“ Gelegenheit, andere Positionen kennen zu lernen.
Ergänzend zeigen sich in Haus 2 des Pfefferbergs die Shooting Stars of Europe, die sich jeweils aus einem Vertreter der bisherigen EU-Mitgliedstaaten rekrutieren. Mit wichtigen Arbeiten aus den letzten zwei Jahren sollen aus der individuellen Position die Frage nach den Folgen der staatlichen Annäherungen für die Gestaltung, nach der Entwicklung nationaler Tendenzen und nach einem möglicherweise existierenden europäischen Stil beantwortet werden.
In diesem Jahr bespielen die Veranstalter drei Hauptstandorte: Neben dem Designmai Forum gibt es den Designmai Showroom in der Backfabrik, der lediglich an diesem Wochenende stattfindet und in gewohnter Lounge-Atmosphäre zu einem zwanglosen Überblick der Design- und Kleinproduzentenszene Berlins einlädt.
Sehr viel versprechend tönt der dritte Ort: die Designmai Youngster, die sich abseits des Establishment, freilich mitten im Berliner Sommerleben zwischen Arena und „Club der Visionäre“ in der Kunstfabrik am Flutgraben in Szene setzen. Eine besondere Location nicht nur, weil man von der Bar auf dem Dach einen tollen Blick über die Spree hat, auf der just an diesem Wochenende das Badeschiff „Spreebrücke“ eröffnet wird.
Die Initiative zu der Beteiligung am Designmai kam von der dort ansässigen garderobe23, einem interdisziplinären Atelier, Büro und Labor für Gestaltung. In ihrem Hauptraum, wo noch Spinde auf die einstige Nutzung hinweisen, finden bis zum 16. Mai Workshops statt, wie etwa von der Workgroup Markeberlin, die unter der Leitung von Fax Quintus (e27) und Jörg Suermann (garderobe23) ein Portfolio wichtiger mittelständischer und großer Berliner Unternehmen erarbeiten will.
Die Ausstellung der Youngster findet in drei Räumen statt, wobei der kleinste nicht in der Kunstfabrik liegt. In der nahen galerie tristesse steht die Kooperation von Designstudenten der FH Potsdam und der UdK Berlin mit den Werkstätten des Bildungswerkes der Wirtschaft in Berlin und Brandenburg zur Diskussion. Unter dem Titel „Expressgut“ werden die Ergebnisse aus der Verknüpfung von kreativem Potenzials und handwerklichem Können gezeigt.
Die Hauptausstellung findet in der Galerie 2yk statt, wo Design in den Mittelpunkt gerückt wird. Spannend sind die unter dem Titel „Hometown“ stehenden „Streetwise Möbel“ der niederländischen Gruppe Nulbien, die den städtischen Kontext als Inspirationsquelle nutzen.
Das Herz der Designmai Youngster schlägt allerdings in der so genannten Servicezone, wo Bar, Infostände und Verkaufszonen einen eigenen Markt kreieren sollen. Für das leibliche Wohl sorgt der Kochperfomer Gordon W.. Täglich wechselnde Couch-Djs sorgen für eine besondere Stimmung, und abends wandelt sich der Raum in ein Klublabor, in dem unterschiedliche Clubs ihre gestalterische und musikalische Philosophie für einen Abend außerhalb der angestammten Orte präsentieren.
Neben diesen drei Konzentrationspunkten gibt es zahlreiche spannende Einzelausstellungen. Unter dem Titel „Wohnmunition“ zeigen junge Designer ihre Objekte für den Bereich Interieur. Hier geht es mit Besetzen, Auseinandernehmen, Un-ordnen und Stapeln, um elementare Fragen des Wohnens.
Um die architektonische Sicht von Wohnkultur erfahren zu lassen, öffnet das Büro abcarius + burns architecture design eine Wohnung in seinem neuesten Bauwerk in der Mulackstraße. „Urbane Living“ heißt das Programm der Architekten, das in dem Wohn- und Geschäftshaus seine Fortsetzung findet.
Natürlich sind auch die bereits als Produzenten etablierten Berliner Designer vertreten. Jörg Hundertpfund stellt eine zunächst akademisch wirkende Arbeit vor. Doch steckt ein praktischer Nutzen hinter den zeichenhaften Objekten: Zusammengeklappt nehmen sie bildhaft bereits das dreidimensionale Möbel vorweg. Was Vogt + Weizenegger mit OCOTOPUZZLE® präsentiert, wird nicht verraten, doch –wie bei den beiden umtriebigen Gestaltern gewohnt – kann es kaum langweilig sein. Unter dem Titel „Design geht in Serie“ zeigen Hauke Murken und Sven Hansen sowie Möbelbau Kaether & Weise Produkte, die bereits in Produktion sind, wie etwa die witzigen Dot-Lights.
Wer noch nicht genug gelaufen ist, dem sei eine Tour mit Ticket B empfohlen, bei der die Highlights Ostberliner Inneneinrichtungen der 1950er bis 1970er in direkter Anschauung erfahren werden können. Mit der Designmai-Zeitung in der Hand wird ohnehin jeder in Eigeninitiative aufgefordert, das Besondere für sich zu entdecken.