Schlaglichtarm im neuen Kraftfeld

Schriften zu Zeitschriften: Die erste Ausgabe der jetzt bei den Schwartzkopff Buchwerken erscheinenden „ndl“

Als es Ende letzten Jahres hieß, die bislang im Aufbau Verlag erscheinende Berliner Literaturzeitschrift ndl (neue deutsche literatur) würde von einem gewissen Peter Schwartzkopff übernommen werden, gab es manche Irritation im Literaturbetrieb. Peter Schwartzkopff war ein unbeschriebenes Blatt. Den Namen brachte man höchstens mit dem Berliner Verlag Schwarzkopf & Schwarzkopf in Verbindung, der vor allem Bücher und Lexika mit popkulturellem Inhalt veröffentlicht. Zumindest was den Standort betrifft, hätte das passen können. Peter Schwartzkopff aber ist in Hamburg ansässig und tat sich vor allem als Produzent von Talkshows und Fernsehfilmen hervor. Im Herbst 2003 erst gründete er einen Buchverlag, die Schwartzkopff Buchwerke Hamburg und Berlin, wo eine Belletristik- und Sachbuchreihe sowie Bücher zur Film- und Fotogeschichte geplant sind.

Nachdem der Aufbau Verlag bekannt gegeben hatte, die defizitäre ndl nicht weiter herausgeben zu wollen, erstand Schwartzkopff die Zeitschrift für einen symbolischen Euro, um sie grundlegend zu überholen. Die gerade erschienene erste, sozusagen neue ndl ist tatsächlich eine völlig andere Zeitschrift mit einer großen, grünen 1 auf dem Cover: Sie erscheint jeden Monat (statt bisher zweimonatlich) in einer Druckauflage von 6.000 (statt zuletzt 1.500); sie ist bunt koloriert, auf Glanzpapier gedruckt und enthält Fotostrecken; und sie heißt jetzt „Zeitschrift für Literatur und Politik“.

Peter Schwartzkopff will, wie er in seinem Editorial erläutert, „die politische Auseinandersetzung pflegen und versuchen, unterschiedliche, auch einseitige Standpunkte einander anzunähern“. Und er will mit der ndl aufzeigen, „mit welchen literarischen und künstlerischen Mitteln versucht wird, die Spannungen einer globalisierten Welt in den Kraftfeldern eines anspruchsvollen Nachdenkens, Debattierens und Erzählens einzufangen“.

Viele Sprechblasen, viele ungelenke Worte, hinter denen sich alles und nichts verbergen kann. Thematisch zumindest ist die ndl viel breiter gefächert und mit zahlreichen neuen Rubriken wie „Kulturstreit“, „Fraktur“ oder „Galerie“ versehen. Neben literarischen Texten und Gedichten gibt es etwa einen Beitrag des Filmemachers Jens Beckers über „Meine Filme über den Erfurter Amoklauf“, gewissermaßen ein Drehbericht, eine Abrechnung mit Mel Gibsons Christus-Film oder einen sehr langen und manchmal betulichen Vortrag von Wim Wenders über den Überfluss und die Wirkmächtigkeit von Bildern im neuen Jahrtausend.

Das ist durchaus lesenswert, entzündet aber nicht gerade „Schlaglichter“ (Schwartzkopff), zumal Erfurt, der Gibson-Film und die Bilderflut sowieso überall schon hinreichend debattiert worden sind. Der Wille zur inhaltlichen Veränderung ist sichtbar, die Gefahr der Beliebigkeit aber besteht, und von einem Literaturdiskurs kann keine Rede sein. Darüber hinaus macht die Ausgabe den Eindruck, als sei sie geradezu über Nacht entstanden.

Schwartzkopff beteuert zwar, die ndl solle keine Verlagszeitschrift der Schwartzkopff Buchwerke werden. Doch der Beitrag von Wenders, eine Rede anlässlich einer Preisverleihung, sowie Ingrid und Gerhard Zwerenz’ intelligent polternder Text über den heimatlosen Ernst Bloch sprechen eine andere Sprache: Wenders ist Geschäftspartner von Schwartzkopff und „Der heimatlose Bloch“ ein Auszug aus einem Buch der Zwerenz, das demnächst bei den Schwartzkopff Buchwerken erscheint.

Dass im Impresssum nur der Verlag aufgeführt ist und kein verantwortlicher Redakteur, passt zum Vorläufigen dieser ersten neuen ndl. Jürgen Engler, der langjährig redaktionell Verantwortliche, soll nach Aussage von Thomas Jung, dem Programmchef des Verlags, auch weiterhin Chefredakteur der ndl bleiben – noch aber sitzt Engler am Hackeschen Markt beim Aufbau Verlag. Sein neues Büro bei den Schwartzkopff Buchwerken in Charlottenburg bezieht er erst in den nächsten Wochen. Also alles noch im Fluss. GERRIT BARTELS