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Archiv-Artikel

„Da geht mein Mercedes“

Cesaria Evora ist die musikalische Botschafterin der Kapverden. Ein Gespräch über Shopping-Touren in fremden Städten, ihr Leben in den Bars, über Alkohol und Zigaretten – und natürlich über Schuhe

INTERVIEW DANIEL BAX

taz: Frau Evora, Sie sind viel unterwegs in der Welt. Was machen Sie, wenn Sie in einer fremden Stadt sind?

Cesaria Evora: Das kommt darauf an, wie ich mich fühle. Manchmal gehe ich Shoppen, manchmal zum Friseur. Manchmal entspanne ich mich einfach im Hotel.

Haben Sie eine Lieblingsstadt?

Nein. Aber Paris ist so etwas wie unser Hauptquartier, darum verbringe ich viel Zeit dort. Ich gehe dann gerne Shoppen, vor allem in Barbès, und schaue mich nach Kleidung um, die mir gefällt. Es gibt da ein Geschäft, in das ich immer gehe. Manchmal sagen mir die Verkäufer: „Nein, das steht Ihnen nicht.“ Aber wenn es mir gefällt, dann nehme ich es trotzdem und behaupte, es wäre für meine Tochter (lacht). Außerdem bestehe ich immer auf Rabatt. Sie sagen dann immer: „Aber Sie sind doch eine berühmte Sängerin!“ Und ich erwidere: „Das geht Sie gar nichts an. Machen Sie mir ein Angebot!“ (lacht). Sie kennen mich schon, wir sind Freunde.

Kaufen Sie auch Schuhe? Sie treten stets barfuß auf. Auch jetzt tragen Sie keine Schuhe.

Ich mag keine Schuhe. Früher habe ich mir viele Paare gekauft, aber ich habe sie dann immer meiner Tochter gegeben. Jetzt kaufe ich mir nur noch ein, zwei Paare. Auf den Kapverden muss man ohnehin keine Schuhe tragen: Der Sand ist so warm.

Gehen Sie in Paris auch zu einem bestimmten Friseur?

Ja, in Barbès gibt es einen afrikanischen Friseursalon. Der Besitzer ist ein Freund von mir, er macht mir die Haare für umsonst. Zu ihm gehe ich immer.

Werden Sie in Paris oft auf der Straße erkannt?

Ja, und nicht nur von Leuten aus den Kapverden: Auch die Franzosen fragen mich auf der Straße nach Autogrammen. Landsleute trifft man vor allem in Holland, in Portugal und Frankreich. Der einzige Ort, wo ich noch niemanden aus Cabo Verde getroffen habe, war Japan.

Haben Sie selbst auch Verwandte im Ausland?

Ja, eine Schwester in Marseille, und mein Bruder lebt in Kanada. Ich sehe ihn immer, wenn ich dort bin. Und dann gibt es noch ein paar entfernte Verwandte auf der ganzen Welt verstreut.

Sie haben in jungen Jahren mit dem Singen begonnen, trotzdem mussten Sie lange auf Ihre internationale Karriere warten.

Ich bin in einer musikalischen Familie aufgewaschen: Mein Vater war Musiker, mein Bruder auch. Ich habe mit 16 angefangen zu singen, mit einer Gruppe von Jungs. Es gefiel mir, und so habe ich nie aufgehört.

Ich meine, der Erfolg hat mein Leben nicht verändert. Ich bin noch immer die gleiche Person und lebe ein schlichtes Leben. Finanziell geht es mir natürlich besser: Ich kann mir alles leisten, aber das Geld kontrolliert mich nicht. Ich helfe vielen Leuten, ich habe mein Haus, meine Kinder.

Wünschen Sie sich, der Erfolg wäre früher gekommen?

Da er nicht früher kam, denke ich nicht darüber nach. So sollte es eben sein. Ich hatte ja schon Erfolg gehabt auf den Kapverden.

Sie sind dort in Bars und im Radio aufgetreten.

Ja, und in Privathäusern und auf Schiffen, die während der Kolonialzeit im Hafen von São Vincente angelegt haben. Sie haben zum Auftanken Station gemacht oder Ausländer gebracht: Die Leute kamen von überall her.

Sie konnten immer von der Musik leben. Das ist ja keineswegs selbstverständlich.

Ja, seit ich 16 war. Ich hatte daher nie darüber nachgedacht, die Kapverden zu verlassen, selbst als die Dinge nicht so gut liefen. Darum habe ich auch erst so spät den Versuch gemacht, im Ausland Karriere zu machen. Ich hatte aufgehört zu singen, von 1975 bis 1985. Aber als ich dann wieder anfing, ging ich zunächst für Aufnahmen nach Portugal. Dort habe ich meinen Produzenten kennen gelernt, der mich nach Frankreich einlud. Die Dinge haben sich seitdem sehr gut entwickelt, wir sind ein gutes Team.

Heute sind Sie die berühmteste Botschafterin der Kapverden. Ist der Präsident nicht ein wenig neidisch auf Sie?

Nein, er ist ein guter Freund, es macht ihm nichts aus (lacht). Bei besonderen Anlässen – etwa, als ich einen Grammy bekommen habe – nimmt er sich immer Zeit, mir einen netten Brief zu schreiben. Er verfolgt, was ich mache.

Bekommen Sie viele offizielle Einladungen?

Wann immer wir irgendwohin kommen, wo es einen Botschafter der Kapverden gibt, sind wir bei ihm eingeladen, etwa zum Dinner. Ich bekomme überhaupt viele solcher Einladungen

Ihre Aufnahmen sind stets akustisch gehalten, das westliche Publikum bevorzugt das. Mögen die jungen Leute auf den Kapverden das auch?

Natürlich hören die jungen Leute viel Rap und Zouk von den Antillen. Trotzdem mögen sie meine Musik. Und selbst von meinen Songs gibt es ja inzwischen ein Remix-Album, „Club Saudade“.

Sie waren einst eine klassische Barsängerin. Gibt es das heute noch auf den Kapverden?

Ja, es gibt noch einige Orte, wo man hingehen kann, um Livemusik zu hören. Das Café Royal wird gerade umgebaut: Das war ein Ort, den ich immer sehr gemocht habe. Ich gehe noch immer gerne in Bars, um Musik zu hören, auch wenn ich jetzt keinen Alkohol mehr trinke.

Gar keinen Alkohol mehr?

Nein, seit 1994! Ich hatte meinen Teil (lacht).

Aber Sie rauchen noch?

Eines Tages werde ich auch damit aufhören. Ich habe einmal eine Wette abgeschlossen mit meinem Produzenten: Er wollte mir einen Mercedes schenken, wenn ich aufhöre. Wir waren in Kuba, bei den Aufnahmen zur CD „Café Atlantico“. Als wir ins Hotel zurückkamen, ging er kurz auf sein Zimmer und kam dann zurück. Ich war gerade dabei, mir eine Zigarette anzuzünden, und er ertappte mich auf frischer Tat. Ich sagte nur: „O mein Gott, da geht mein Mercedes!“

Sie haben sich ein Haus gebaut in Mindelo.

Ja, damit ich keine Miete mehr zahlen muss. Auch mein Sohn hat ein Haus, und meine Tochter.

Bekommen Sie viel Besuch?

O ja! Ganze Busladungen von Leuten kommen vorbei, es ist wie ein Taubenschlag (lacht). Die Leute kommen von überallher!

Wird ihnen das nie zu viel, dieser Rummel?

Nein, wenn sie den ganzen Weg auf sich nehmen, nur um mich zu sehen, dann muss ich mir doch auch Zeit nehmen für sie! Mir gefällt es, viele Menschen um mich zu haben. Es ist doch traurig, wenn man alleine lebt und keiner einen besuchen mag.

Haben Sie Enkelkinder?

Ja, zwei. Der Junge ist 20, das Mädchen ist 12. Beide sind von meiner Tochter. Mein Sohn ist älter, aber er hat keine Kinder.

Die müssen sehr stolz auf ihre Oma sein, oder?

Ja, vor allem meine Enkelin, sie ist ein sehr lustiges Mädchen. Der 20-Jährige spielt lieber Fußball, er ist nie zu Hause.

Würden Sie ihr empfehlen, auch Sängerin zu werden?

Sie weiß noch nicht, was sie mal werden will: Mal Doktor, mal Stewardess, neuerdings Astronaut. Manchmal Sachen, von denen ich noch nie etwas gehört habe! Neulich hat sie ein Fernrohr geschenkt bekommen: Damit beobachtet sie jetzt die Sterne.