: Die Zukunft der Arbeit ist bunt
Unternehmer und Bildungsträger diskutieren über interkulturelle Konflikte im Arbeitsalltag – und wie man Abhilfe schafft. Das Interesse der Firmenbosse blieb aber unter den Erwartungen. Dabei geht es letztlich doch auch um wirtschaftliche Effizienz
AUS BERLIN CEM SEY
In einem süddeutschen Industriebetrieb fuhr ein deutscher Mitarbeiter seinen griechischen Kollegen an: „Fass nie wieder meine Maschine an, du Kümmeltürke!“ Der Grieche ging dem Mann an den Gurgel. – Er konnte es nicht ertragen, mit einem Türken verwechselt zu werden.
Seit Jahren gehören solche Szenen zum Alltag. Und der Bedarf an Lösungen für interkulturelle Konflikte in den Betrieben wird sich künftig vermutlich weiter erhöhen, so der Tenor der Konferenz „Zukunftsverantwortung“ in Berlin. Denn aus demografischen Gründen steuert Deutschland mal wieder auf einen Arbeitskräftemangel zu, den die Firmen verstärkt durch Frauen, Ältere und „Ausländer“ wie die Berliner Unternehmerin und Familienforscherin Gisela Erler die Migranten nennt, ausgleichen werden: „Denn die sind ja zum Teil auch bereit, für niedrigere Löhne zu arbeiten.“ Doch genau dieses Arbeitskräftepotenzial zu erschließen werde zum Problem.
„Wir können uns gar nicht mehr leisten, dass rund die Hälfte aller jüngeren, gut ausgebildeten Frauen und viele Jugendliche mit Migrationshintergrund gewissermaßen nur kosten und nichts erwirtschaften“, so die forsch-konservative Argumentation: „Sie müssen alle zum Wirtschaftswachstum beitragen.“
Arndt Schnöring vom Institut der Deutschen Wirtschaft verweist auf eine weitere Notwendigkeit, überkommene Denkstrukturen in der Wirtschaft zu verändern: „Unsere Wirtschaft ist zunehmend international ausgerichtet. Der zentrale Erfolgsfaktor in diesem Zusammenhang ist interkulturelle Kompetenz. Also bestimmte Fähigkeiten, die es ermöglichen, ohne interkulturelle Reibungsverluste effektiv zusammenzuarbeiten.“ Gelinge dies, sei das ein echter Wettbewerbsvorteil.
Großunternehmen wie ECO Stahl aus Eisenhüttenstadt oder die Deutsche Telekom haben dies erkannt. Aus ihrer alltäglichen Erfahrungen heraus sehen sie daher aber auch die Notwendigkeit, ihre Belegschaft und vor allem Auszubildende über Rechtsradikalismus und Rassismus aufzuklären.
„Wir haben eine multikulturelle Belegschaft, und Rechtsradikalismus begegnet uns überall in der Stadt“, sagt Cordula Ramm-Philipp, die für die Ausbildung bei der Telekom in Dortmund verantwortlich ist. „Daher ist es wichtig, für ein friedvolles und letztendlich effizientes Miteinander auch zu solchen Themen Position zu beziehen.“
Was schließlich erreicht werden soll, erklärt Gisela Erler, sei gar keine multikulturelle Gesellschaft, in der alle nebeneinanderher leben. „Herauskommen muss so etwas wie eine Hybridgesellschaft, die sich ganz neu zusammensetzt“, so Erler.
Gerade dafür brauche man politische Bildung in den Firmen, so die junge Unternehmensberaterin Dominique Döttling. Sie wirft den Wirtschaftsbossen vor, diese bisher allein den Gewerkschaften überlassen zu haben – mit ihrer Meinung nach entsprechend einseitigem Ergebnis.
Um die Wirtschaft nun vom Wert solcher politischen Bildung zu überzeugen, hatten sich die Unternehmensvertreter mit Trägern der politischen Bildung in Deutschland zu ihrer Zukunftskonferenz getroffen – mit mäßigem Erfolg. Nach Angaben der Veranstalter, der Bundeszentrale für politische Bildung, kam am Ende nur ein Viertel der Teilnehmer aus dem unternehmerischen Bereich. Dominique Döttling, die zur Vorbereitung auf das Treffen bekannte Firmen anrief, berichtet von Unverständnis, Misstrauen und Ablehnung.
Immerhin ein Schritt wurde auf der Konferenz gemacht. Ab sofort gibt es ein Internetforum, wo Unternehmer und Träger der politischen Bildung ihre Meinungen und Erfahrungen austauschen können.