Jukebox

Verloren im Netz: Musik ohne festen Wohnsitz

Nur so als Beispiel, die nebenstehende Platte. Weil sie im fernen Jahr 1968 erschienen ist, muss man auch die alten Begrifflichkeiten verwenden: Es handelt sich also um eine EP des jugoslawischen Sängers Vice Vukov, der auf Englisch Lieder singt, die irgendwie „spanish“, spanisch, klingen. „Spanish Eyes“ zum Beispiel und „Spanish Harlem“. Eingespielt mit tschechoslowakischen Orchestern, erschienen in der Tschechoslowakei, wobei diese Platte vor allem für den Export bestimmt war. In den Westen. Da weiß man dann gar nicht mehr, unter welcher Länderkennung man das sortieren soll. File under funky Ostblock.

Als der Block gerade in seine Teile zerfiel, trommelte Pavel Fajt bei der grimmigen Postpunk-Band Dunaj. Zuerst Tschechoslowakei, dann Tschechien. Mit Iva Bittova ist er auch in dem musikalischen Reisebericht „Step across the border“, dem Filmessay über Fred Frith, zu sehen, und mit diesem umtriebigen Gitarristen tritt Fajt nun am Sonntag im Babylon Mitte in einem Duo auf, zum Auftakt der Konzertreihe „Discover US“. Da sind in Folge zur Erkundung der amerikanischen Jazzszene so Größen wie Elliott Sharp, Marc Ribot und das World Saxophon Quartet zu hören (www.jazzwerkstatt-berlin-brandenburg.de).

Obwohl Fred Frith ja eigentlich ein englischer Musiker ist, der halt gerade in den USA lebt. Wer will, kann ihn also gut auch als süddeutschen Musiker bezeichnen, weil er einige Zeit in Stuttgart seine Heimatanschrift hatte. Egal. Jedenfalls wird ihm wieder mal auf einer Jazzbühne musikalisches Asyl gewährt, obwohl Fred Frith genau das, Jazz, so ziemlich als Einziges in seiner Karriere nie gemacht hat. Vor allem war er mal das prominente Aushängeschild einer Szene, in der sich experimenteller Rock mit Hardcoreimprovisation verschränkte, so in den Achtzigern bis hinein in die Neunziger, um die ein internationales Netzwerk entstand, über das der besagte Film „Step across the Border“ einen schönen Einblick gibt. Im Anschluss an das Konzert wird er im Babylon Mitte zu sehen sein.

Auch als Erinnerung an zwar schon immer eher randständige Stimmen, die sich damals aber durchaus selbst in den Feuilletons Gehör verschafften. Heute hat sich die Öffentlichkeit von dieser Szene weitgehend zurückgezogen. Als wohnsitzloses Partikularinteresse privatisiert sie seit Ende der Neunziger im Netz.

Nochmals Vice Vukov. Interessierte natürlich damals im Westen niemand. Aber man hat sich wenigstens auf der anderen Seite darum bemüht. THOMAS MAUCH