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Archiv-Artikel

Oma Afrika

Nach dem Exil: Miriam Makeba über ihre Rückkehr nach Südafrika, ihre Karriere im Ausland sowie ihren Evergreen „Pata Pata“

INTERVIEW WOLFGANG KÖNIG

taz: Frau Makeba, man hat Ihnen den Ehrentitel „Mama Africa“ verliehen. Wie kam es dazu?

Nun, in ganz Afrika hat man immer genau beobachtet, was in meiner Heimat vor sich ging. 1963 lud mich Äthiopiens Kaiser Haile Selassie nach Addis Abeba ein, um bei der Gründungsversammlung der OAU, der Organisation für Afrikanische Einheit, aufzutreten.

Dort waren die afrikanischen Staatschefs versammelt, die ihre Länder in die Unabhängigkeit geführt hatten, aus Ghana, Senegal, Mali, Algerien, und hörten dieser jungen Frau zu, die aus Südafrika kam, einem Land ohne Freiheit.

Ich wurde zum Liebling dieser afrikanischen Politiker. Nach und nach luden sie mich alle in ihre Länder ein. Ich sang in Präsidentenpalästen, aber auch in Stadien für die einfachen Leute, und immer sprach ich dabei über die Situation in Südafrika.

Die Menschen betrachteten mich als eine der ihren und nannten mich „Mama Africa“.

Was bedeutet Ihnen dieser Beiname heute noch?

Als ich das zum ersten Mal hörte, dachte ich: „Ich kann doch nicht ganz Afrika auf meinen Schultern tragen, das ist zu schwer für mich!“ Aber dann wurde mir klar, was für ein Kompliment das war. Ich habe das Kompliment angenommen. Und als Präsident Thabo Mbeki mich 2001 zur südafrikanischen Goodwill-Botschafterin für Afrika ernannte, meinte er, das sei nur eine Formalie: Ich sei schon immer die Botschafterin des südafrikanischen Volkes gewesen.

1967 brachten Sie mit „Pata Pata“ erstmals einen afrikanischen Song in die US-Charts, später den „Click Song“. Macht es Ihnen heute noch Spaß, diese Stücke zu singen?

Ich kann nirgendwo ohne diese Lieder auftreten. Wenn ich es nicht tue, ruft das Publikum die Namen der Songs, und natürlich singe ich sie dann. Das ist manchmal ermüdend, aber die Leute haben ein Recht darauf. Ich habe das während meiner Zeit mit Harry Belafonte gelernt. Auch für ihn war es nicht einfach, immer wieder den „Banana Boat Song“ singen zu müssen, aber schließlich sind wir nichts ohne unser Publikum.

Auf Konzerte von Ihnen musste das Publikum in Südafrika lange warten. Wann sind Sie wieder zurück gekehrt?

Als Nelson Mandela Anfang 1990 aus der Haft entlassen wurde, lebte ich gerade in Belgien. Ich saß alleine in meiner kleinen Wohnung vor dem Fernseher, und als ich ihn aus dem Gefängnis kommen sah, erkannte ich ihn nicht: Es hatte ja 27 Jahre lang keine aktuellen Fotos von ihm gegeben. Aber Winnie Mandela ging Hand in Hand mit ihm, also war er es, und ich weinte vor Rührung.

Später rief ich Winnie an, und sie holte ihn ans Telefon. Er sagte zu mir, dass ich nach Hause kommen solle. Auf meinen Einwand, dass ich immer noch dem Bann unterlag, meinte er, ich solle zur südafrikanischen Botschaft in Brüssel gehen und mir ein Visum holen.

Wie war die Rückkehr?

Normalerweise schlafe ich im Flugzeug, doch diesmal ging es nicht. Nach der Landung in Johannesburg wurde ich zunächst aufgefordert, meinen Pass abzugeben. Mir rutschte das Herz in die Hose! Aber man führte mich in die Lounge, wo neben Journalisten auch viele Musiker versammelt waren, die mich mit der ANC-Hymne „Nkosi Sikelel’ iAfrika“ begrüßten.

Was haben Sie dann gemacht?

Mein erster Weg führte mich zum Grab meiner Mutter. Selbst als sie gestorben war, hatte man mir die Einreise zur Teilnahme an ihrer Beerdigung verweigert. Ich weinte an ihrem Grabstein. Aber trotzdem war ich glücklich, wieder zu Hause zu sein.

Mein erstes Konzert nach der Rückkehr war in einer Halle, die 8.000 Leute fasst – und sie war ausverkauft! Mein Publikum hatte mich nicht vergessen, und ich danke den Großeltern, die meine Musik aufhoben, obwohl sie verboten war, und sie ihren Kindern vorspielten. Die gaben sie dann an ihre Kinder weiter, bis heute.

Südafrika feiert in diesem Jahr das Jubiläum seiner neuen Demokratie. Was hat sich in dieser Zeit für die Musiker verändert?

Allein die Tatsache, dass wir jetzt ein Kulturministerium haben, ist ein großer Fortschritt. Bis vor zehn Jahren gab es so etwas für uns Schwarze nicht. Auch durch die Arbeit des Ministeriums wissen die Künstler jetzt Bescheid über ihre Rechte, etwa, was Tantiemen und Gagen betrifft, und können sie einfordern.

Der Reggae-Star Lucky Dube sieht die Situation kritischer: Er klagt über die verbreitete Korruption.

Er hat ja Recht damit. Aber wo auf der Welt gibt es keine Korruption? Und alleine der Fakt, dass er offen darüber reden kann, ist ein Beleg für die gewaltigen Veränderungen. Im alten Südafrika hätte er nach einer solchen Kritik bestenfalls zwischen Gefängnis und Exil wählen können.

Was halten Sie von Südafrikas neuer Musikszene ?

Wir haben viele exzellente Künstler, zu viele, um sie aufzuzählen. Auch unter den Kwaito-Produzenten gibt es echte Talente. Allerdings würde ich ihnen raten, weniger Elektronik einzusetzen: Durch die Drumcomputer klingen sie doch alle gleich.

Wenn ich an Sängerinnen meiner Generation denke, an Dorothy Masuka oder Dolly Rathebe, oder auch an Jüngere wie Judith Sephuma – sie alle haben ihren eigenen Sound, vor allem, weil sie mit Musikern anstatt mit Maschinen arbeiten.

Ich weiß, die Plattenfirmen wollen Geld sparen und ein Drumcomputer ist billiger als ein Schlagzeuger. Aber man muss den Jungen eine Chance geben, sich zu entwickeln. Live-Musiker könnten Kwaito ganz neue Impulse geben.

Sie waren berühmt, bevor es den Begriff „Weltmusik“ gab. Wie würden Sie selbst Ihre Musik definieren?

Ich weiß nicht. Ich bin oft von großen Jazzfestivals eingeladen worden, in Newport, Montreux oder Den Haag. Und dann habe ich mich oft gefragt: Was um alles in der Welt mache ich hier eigentlich? Schließlich singe ich nicht so wie Billie Holiday, Dinah Washington oder Carmen McRae! Aber dann sagte ich mir, die Festivalorganisatoren haben dich hierher geholt, also geh raus auf die Bühne und gib alles, was du hast. Und das hat immer funktioniert.

Auch nach dem Ende der Apartheid engagieren Sie sich politisch und sozial. Welches Projekt betreuen Sie gerade?

Das „Makeba Rehabilitation Centre for Girls“ – ein Haus bei Johannesburg, wo wir uns um elternlose Mädchen kümmern. Das sind die Mütter der nächsten Generation! Wenn wir sie der Straße überließen – wie würde unsere Zukunft aussehen?

Die Apartheid ist seit zehn Jahren vorbei, aber ihr Erbe ist zum großen Teil immer noch da. Und um das zu überwinden, braucht es auch uns Künstler. Wenn du singst, hören dir die Leute zu. Sie hören lieber Musik als Reden, erst recht die von Politikern. Singen ist die beste Art zu kommunizieren. Ich hatte niemals eine Waffe, mit der ich auf jemanden hätte schießen können – meine Waffe ist die Musik.