piwik no script img

„Unions-Länder blockieren“

Im taz-Interview fordert die grüne Umweltministerin Bärbel-Höhn mehr Transparenz und verbindliche Haftungsregelungen beim Anbau von genmanipulierten Pflanzen in der Landwirtschaft

INTERVIEW VON ELMAR KOK

Über das Gesetz zur Ausbringung gentechnisch veränderter Nutzpflanzen wird demnächst im Vermittlungsausschuss entschieden. Die nordrhein-westfälische Umweltministerin Bärbel Höhn (Grüne) erläutert, was das Gesetz leisten sollte.

taz:Das Gesetz über die Verwendung von Gentechnik in der Landwirtschaft ist im Vermittlungsausschuss des Bundestages gelandet. Was muss in den Verhandlungen mit der Opposition erreicht werden?

Bärbel Höhn:Ganz wichtig ist uns, dass es ein Recht auf Informationen gibt. Denn dadurch, dass das Gesetz von den CDU-regierten Bundesländern im Bundesrat blockiert wird, gibt es immer noch keine Regelung. Deshalb haben wir bundesweit 300 Hektar, auf denen gentechnisch veränderte Pflanzen angebaut werden, die momentan komplett verheimlicht werden. Nach dem Gesetz, das die rot-grüne Bundesregierung vorgeschlagen hat, müssten diese Flächen zumindest gegenüber der Verwaltung und den Landwirten, die in den von Gentechnik betroffenen Regionen Landwirtschaft betreiben, veröffentlicht werden. Doch die Landwirte in der Nähe der Versuchsfelder bekommen das momentan gar nicht mit.

Die Union will für mögliche Schäden durch die Gentechnik einen Fonds einrichten.

Wir wehren uns gegen Fonds, an denen sich - wie die CDU es will - der Staat beteiligen soll und setzen aufs Verursacherprinzip: Wenn Pflanzen eines Bauern durch den Gen-Anbau eines Nachbarn kontaminiert werden und er seine Ernte deshalb nicht mehr verkaufen kann, muss derjenige haften, der Verursacher des Schadens ist. Es kann nicht sein, dass diejenigen, die gentechnisch veränderte Landwirtschaft wollen, kein Risiko tragen müssen. Es geht auch darum, dass die Bauern, die anbauen wollen wie bisher - und das sind annähernd 100 Prozent - keine zusätzliche Kosten haben, weil sie mit zusätzlichen Messungen nachweisen müssen, dass ihre Produkte weiterhin gentechnikfrei sind. Deshalb brauchen wir Regelungen, die ausreichende Abstände zwischen den Anbaugebieten vorschreiben.

Welche Position vertreten die Bauernverbände?

Momentan rät der Bauernverband im Bund seinen Mitgliedern davon ab, an Genanbau-Versuchen teilzunehmen, weil es teuer werden kann. Es gibt auch Landesverbände, die sich für freiwillig gentechnik-freie Zonen einsetzen. Von den zögerlichen Bauernverbänden würde ich mir wünschen, dass sie sich aktiver für gentechnik-freie Anbauflächen einsetzen. Immerhin sind es ja fast 100 Prozent der Landwirte, die den Gen-Anbau nicht wollen.

Welche Informationen über den Anbau bekommt das Land Nordrhein-Westfalen?

Das Problem ist, das wir bei dem Genanbau, der momentan in Sachsen-Anhalt und anderen Bundesländern stattfindet, keinen Anspruch auf Informationen haben. Heute wie auch in den letzten Jahren gibt es das Recht, anzubauen, ohne dass es angezeigt werden muss. Wenn eine Ausnahmeregelung zur Inverkehrbringung und eine Zulassung nach dem Saatgutverkehrsgesetz vorliegt, kann angebaut werden, ohne dass die entsprechende Landesregierung informiert wird.

Solange das Gesetz im Bundesrat ‚hängt‘, gibt es keine Möglichkeiten, an Informationen zu kommen?

Das ist das Problem. Die Unions-geführten Länder blockieren ein Gesetz, dass die Pflicht beinhalten würde, über den Anbau zu informieren. Andererseits wird in eben diesen Bundesländer diese Gesetzeslücke ausgenutzt, um anzubauen. Da die Versuche in Niedersachsen, Rheinland-Pfalz und in Hessen bisher nicht gestartet wurden, sind Nordrhein-Westfalens Bauern an den Landesgrenzen noch nicht betroffen.

Was muss im Vermittlungsausschuss errreicht werden?

Wir hoffen, dass der öffentliche Druck, der jetzt dadurch entsteht, dass die Öffentlichkeit von dem Ausmaß des Anbaus erfahren hat, steigt. Letztlich möchten wir, dass nicht nur Landwirte, sondern jeder Bürger das Recht hat, zu erfahren, wo genmanipulierte Pflanzen angebaut werden. Das wollen die CDU/CSU-regierten Bundesländer aber nicht.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen