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Archiv-Artikel

„Wo Wasser ist, ist Weite“

Falk Walter

„Ich suche einen Bademeister mit weißer Hose, die immer zu tief sitzt und wo der dicke Bauch drüberhängt. Und der immer schlechte Laune hat. Er muss brüllen können, retten können. Nur so hat man das Gefühl, der passt auf einen auf“ „Beim Tempodrom habe ich den Respekt vor den Machern verloren. Diese Verantwortungslosigkeit bezüglich der wirtschaftlichen und inhaltlichen Dinge finde ich ganz furchtbar. Irene Moessinger müsste abtreten“

Es regnet, wie immer, wenn in Berlin die Badesaison startet. Ausnahmen von der Regel gibt es nicht. Auch nicht zur Eröffnung des „Spree-Pools“, des neuesten Projekts von Falk Walter, Betreiber der „Arena“, des „Big Eden“ und Käufer des „Metropol“. Zehn Jahre nach dem Start der „Arena“ ist Walter ein Großer in der Club- und Kulturveranstaltungsszene geworden, aber noch immer mit einem Anteil Chaos: Gegen die Bezeichnung „ruheloser Irrer“ hat der einstige Schauspieler nichts, eher schon gegen die Subventionsmentalität Westberliner Kulturmacher. Gegen Wüstenmärsche hat er auch nichts. Und dicke, schlecht gelaunte Bademeister, die brüllen, findet Walter auch gut. Hauptsache, sie können retten

INTERVIEW ROLF LAUTENSCHLÄGER

taz: Herr Walter, gehen Sie gern baden?

Falk Walter: Ich besuche hin und wieder das Spreewaldbad, habe mich allerdings über die Preiserhöhungen in den letzten Jahren geärgert.

Dann haben Sie eine „innere Haltung“ zum Wasser!

Ich bin zwar nicht am Meer aufgewachsen, aber Berge, finde ich, grenzen ein. Wo Wasser ist, ist Weite.

Warum ist dann der Werbeslogan „Ein Schiff wird kommen“ für den jetzt eröffneten „Spree-Pool“ so wenig originell? Das klingt nach Caterina Valente 1960 und schlimmer noch nach Conny Froboess’ „Pack die Badehose ein“, oder?

Das sind doch nahe liegende Assoziationen für das Projekt. Klar, supertoll ist der Spruch nicht. Aber wir haben nicht den Auftrag, originell zu sein, sondern wir wollen sagen, was da entstehen wird.

In der Kulturevent-Szene eilt Ihnen aber ein kreativerer Ruf voraus?

Wirklich, soooo schlimm finde ich „Ein Schiff wird kommen“ nicht. Es sagt doch, da ist ein Schiff, von dem aus gebadet werden kann. Ist das nicht okay?

Es erinnert an die Trendywelle mit Sand, Strandkörben, Musik und Tropical Drinks am Spreeufer.

Klar geht es um das Wasser, den weiten Blick, und ich will auch, dass am Osthafen ein Gefühl von Erholung und Clubkultur samt Bar mit Bademöglichkeit entsteht. Wir nehmen übrigens eine Tradition auf. Rund 50 Meter weiter war das erste Berliner Flussbad. Dennoch: Das Mitschwimmen im Trend sehe ich weniger. Für mich selbst hat das Projekt eine weiterführende Bedeutung. Nach 10 Jahren Arena und der Versuchung, zu stagnieren, haben wir uns aufgemacht, etwas Neues hier vor Ort zu entwickeln. Als der Verein Stadtkunstprojekte, die Künstlerin Susanne Lorenz sowie die Architekten AMP auf uns zukamen und Partner suchten, haben wir bei der Umsetzung des Projekts geholfen.

Zugleich geht es noch um etwas anderes. Das Botanische Büro, das auf unserem Gelände beherbergt ist, beschäftigt sich seit längerem mit der Reinigung der Spree im Rahmen des „Berlin-Beach-Projekts“. Und der Pool im Fluss stellt gewissermaßen eine Aufforderung dar, darüber nachzudenken, warum man nicht mehr in der Spree baden kann und heute ein Bad in den Fluss hineinbauen muss.

Also schwimmen in der Spree geht nicht?

Nee, die Spree ist zu schmutzig, besonders wenn es mal stark geregnet hat.

Wie wollen Sie verhindern, dass doch einer reinköpft?

Wir sind zwar nicht das neue „Stadtbad Treptow“ für die Normalos mit Tupperdose neben dem Badeset, aber Aufsichtspersonal wird es geben.

Sie meinen einen Bademeister?

Ja.

Mit Trillerpfeife?

Genau so einen suche ich. Braun gebrannt. Einen mit weißer Hose, die immer zu tief sitzt und wo der dicke Bauch drüberhängt. Und der immer schlechte Laune hat.

Einen typischen Berliner Hardcore-Bademeister?

Er muss brüllen können: „Nicht vom Beckenrand springen!“, retten können, die Wasserqualität prüfen und so weiter. Nur so hat man das Gefühl, der passt auf einen auf.

Schreckt der nicht die Beach-Club-Party-Atmosphäre?

Dann nehmen wir einen „anderen“ Bademeister. Weiblich.

Die können doch auch brüllen.

Stimmt. (lacht)

Was ist der Anteil Kunst am Spree-Pool-Projekt?

Ich glaube, man erkennt, dass es einen künstlerischen Zusammenhang zwischen den Stegen, Plateaus, dem Badeschiff und dem Fluss gibt. Auch das Gefühl, dass man innerhalb des Beckens über dem umgebenden Wasser schwimmt, hat etwas Artifizielles.

Wie passt das eigentlich zusammen: die Arena mit Theater und Konzerten, die Hoppetosse als Gastronomie- und Musikschiff, jetzt der Pool für relaxte Badegäste daneben, die Clubs, das Big Eden und dann noch das Metropol-Theater? Ist das ein Sammelsurium oder Kulturkonzept?

Es geht um Vielschichtigkeit, nicht um Beliebigkeit. Wir haben von Anfang an darauf Wert gelegt, schon die Arena auf mehrere Säulen zu stellen: den Konzertbereich, den Partyclub-Bereich, den Theater- und den Galabereich. Dennoch stößt man da auf Grenzen und blockiert die Flächen durch Produktionen, Auf- und Abbauten. Deshalb haben wir uns auf die Suche nach einem Theater gemacht – und uns für das Metropol entschieden. Kleine Konzerte und Gigs in der großen Halle funktionierten auch nicht – darum das „Glashaus“. Das wiederum war für die Clubgeschichten nicht optimal. So kam das Big Eden als Rahmen für die Clubkultur. Es gibt im Grunde für jede Erweiterung eine Notwendigkeit, wir spielen nicht Monopoly.

Warum garantiert das Modell wirtschaftliche und inhaltliche Unabhängigkeit?

Weil wir jetzt auf mehreren Beinen stehen und damit das Risiko, einzubrechen, vermindern. Es war für mich immer wichtig, subventionsfrei zu arbeiten. Das Bangen um Fördergelder etwa halte ich schon gar nicht aus.

Verhält sich die Berliner Kulturszene insgesamt zu statisch, zu spartenorientiert, zu fixiert auf öffentliche Gelder, zu unflexibel?

Ich glaube nicht, dass das Modell generell übertragbar ist. Die großen Bühnen müssen öffentliche Gelder, die kleinen Projekte Unterstützung erhalten. Da kann man sich einerseits als öffentliche Hand nicht einfach rausziehen. Andererseits denke ich, dass eine 1-Sparten-Ausrichtung für private Kulturveranstalter, wie wir es sind, nicht mehr ausreicht. Das ist schwierig heute. Für uns hat sich das jetzige Modell als richtige Lösung erwiesen. Wir haben allerdings auch gearbeitet und hatten Glück.

Würden Sie sich als Großer der Branche bezeichnen?

Es wäre verlogen, zu sagen, dass wir klein sind. Wir sind in zehn Jahren gewachsen. Aber ich selbst nehme mich so nicht wahr. Wirklich. Ich habe das Gefühl, wir machen das, was wir immer machen wollten, jetzt einfach besser. Und wir haben nicht mehr so viel Angst, Grenzen zu überwinden.

Was braucht man, um in Berlin in der Veranstaltungsbranche erfolgreich zu bleiben? Der besagte „gute Riecher“ genügt doch nicht?

Man braucht ihn, und dann braucht man insbesondere gute sowie kreative Mitarbeiter. Letztendlich mache ich das, was ich spannend finde und was mir Spaß macht.

Die Berliner Zeitung hat Sie einmal als „ruhelosen Irren“ bezeichnet. Haben Sie gegen die Charakterisierung geklagt?

Nein, ich bin doch nicht streitsüchtig.

Also stimmt sie.

Ich selbst würde mich etwas anders bezeichnen. Aber ganz schwachsinnig war diese Wahrnehmung nicht.

Braucht Berlin mehr solche Verrückte, um die besagte Depression abzuschütteln?

Seit der Schließung des Schiller Theaters war doch klar, dass die goldenen Jahre der Kulturfinanzierung in der Stadt vorbei sind. In der Kunst und Kultur bleibt es zwar eine Verpflichtung des Staates, diese zu fördern, weil kein Theater beispielsweise verpflichtet werden kann, nur kommerziell erfolgreiche Produktionen aufzuführen. Aber man kann auch so nicht so tun, als ob Deutschland kein Problem hätte, und sich weiter so gebärden, wie es beim Tempodrom der Fall war. Da habe ich den Respekt vor den Machern verloren. Diese Verantwortungslosigkeit bezüglich der wirtschaftlichen und inhaltlichen Dinge finde ich ganz furchtbar. Meiner Ansicht nach müsste Irene Moessinger abtreten. Der Schaden, der dort entstanden ist, hat die Kultur in der Stadt insgesamt beschädigt. Wir, die Veranstalter, Produzenten und Künstler, müssen uns diesen Veränderungen stellen. Die Haltung „Bitte schön, ich will das so“ reicht nicht mehr. Man muss Neues ausprobieren, sich der Eigenverantwortung stellen. Das geschieht ja auch in der Stadt, die unfertig genug ist für Experimente.

Noch im Jahr 2000 haben Sie Berlin als „Sindelfingen 1956“ bezeichnet.

Das bezog sich auf meine Erfahrungen mit Behörden in Berlin, die sich sehr rückschrittlich, wenn nicht gar hinderlich verhalten haben, als wir mit Ideen ankamen. Das hat sich geändert.

Das Theater um den Kauf des Metropol würde ich aber anders sehen.

Da geht es jetzt gut voran, wir befinden uns in der Planung und stellen den Bauantrag. Ich gehe davon aus, dass wir das Metropol im Herbst 2005 eröffnen können.

Was hat Sie überhaupt gereizt, ein derart marodes Theater zu kaufen?

Wir suchten genau so ein Theater. Das Metropol – ich sage immer „der Admiralspalast“ – war deshalb so ideal, weil es ein ähnliches Modell, wie wir es praktizieren, schon einmal hatte. Der Admiralspalast war ein Bad – ein Kultur- und Luxus-Wellness-Center, würde man heute sagen. Es gab eine Kegelbahn, mehrere Restaurants, eine Eislaufbahn, das Theater, ein Kino, das was das erste Lichtspielhaus damals in Berlin. Auf diese Konstruktion stützen wir uns auch und revitalisieren diesen einstigen Vergnügungstempel mit neuen Inhalten. Es wird natürlich keine Kegelbahn und kein Kino geben, wie das früher war. Aber wir eröffnen wieder Clubs, vielleicht das Bad, ein Restaurant, zwei Theater und das Kabarett. Es geht beim neuen – wie beim alten – Metropol-Theater um die Begegnung von ganz unterschiedlichen kulturellen Angeboten und Erfahrungen für ein unterschiedliches Publikum.

Stimmt eigentlich die Legende, dass Sie sich bei Ihrer Flucht aus der DDR über Moskau und Ulan Bator durch die Wüste Gobi bis nach Peking wochenlang mit Nomaden durchgeschlagen haben?

Das ist keine Legende, die Geschichte stimmt. Ich war insgesamt ein halbes Jahr unterwegs.

Wirkt eine derartige Grenzerfahrung bis heute nach? Was bleibt?

Es bleibt die Erfahrung, dass ich mir nicht so leicht den Boden unter den Füßen weghauen lasse.

Ist der Weg das Ziel?

Der Weg ist für mich ein Motor, nicht das Ziel. Das Ziel erlebe ich in einigen Fällen gewissermaßen gar nicht mehr. Bei Premieren etwa oder wie jetzt bei der Eröffnung des Badeschiffs, wo man manchmal wochen- oder monatelang wie verrückt auf das Ziel hingearbeitet hat, liege ich in dem Augenblick dann irgendwo und bin nur noch ganz kaputt.

Danach können Sie jetzt baden.

Mach ich auch.