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Archiv-Artikel

DIE GRÜNEN HABEN DERZEIT KEINEN GRUND ZU IHRER FEIERLAUNE Viele Fragen, keine Antworten

Es war Zufall, dass die Grünen ihren kleinen Parteitag an diesem Samstag ausgerechnet in Berlin-Moabit abhielten. Aber es passte zum „neuen grünen Selbstbewusstsein“, das Parteichef Reinhard Bütikofer in seiner Rede proklamierte. Nur wenige hundert Meter vom Veranstaltungsort entfernt residiert Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) – und dem hatten die Grünen in den Tagen zuvor seine Grenzen aufgezeigt. Im Zuwanderungsstreit haben sie fürs Erste das Kommando übernommen. Die Freude darüber war so groß, dass sich die Grünen einen Luxus gönnten, der angesichts der Lage der Regierung unpassend wirkt: Sie feierten sich selbst und ließen alle Probleme außen vor.

Die desolate Haushaltslage? Kein Thema. Das Chaos bei der Umsetzung der Hartz-Gesetze? Warum darüber reden, wenn es beim urgrünen Thema Migration so viele grüne Erfolge zu bejubeln gibt? Der Kater dürfte spätestens Mitte dieser Woche folgen, wenn die Steuerschätzung kommt. Wie man mit den Schuldenbergen umgehen sollte, ist nicht nur in der Koalition, sondern auch bei den Grünen umstritten. Umso demonstrativer stellten sie ihre Einigkeit darüber zur Schau, dass sie bei der Zuwanderung alles richtig gemacht haben.

Richtig ist, dass es dem kleinen Koalitionspartner gelungen ist, gegen den Schilys Willen den Ausstieg der Regierung aus den Zuwanderungsverhandlungen mit der Union zu erzwingen. Das war mutig. Doch wie es weitergeht, ist offen. Ein restriktives Zuwanderungsgesetz mit der Union ist damit noch nicht vom Tisch. Schon gar nicht lässt sich behaupten, dass die Grünen in der Einwanderungspolitik insgesamt eine stolze Bilanz aufzuweisen haben.

Seit der Staatsangehörigkeitsreform 1999 ist auf diesem Gebiet nichts mehr passiert. Von verbesserten Integrationsmaßnahmen kann keine Rede sein. Statt allein die Initiative zu ergreifen und das nötige Geld frei zu machen, setzte Rot-Grün auf die sinnlosen Gespräche mit der Union. Bei Verbesserungen im Flüchtlingsrecht spielte das rot-grüne Deutschland auf EU-Ebene sogar den Bremser. Gemessen daran ist das vorläufige Nein zu einem Schily-Unions-Zuwanderungsgesetz nur ein kleiner, sehr kleiner Teilerfolg. LUKAS WALLRAFF