: Schulden für Reform
Der grüne Parteirat spricht sich überraschend für das Vorziehen der Steuerreform und ihre Teilfinanzierung über zusätzliche Kredite aus
BERLIN taz ■ Auch die Grünen plädieren nun offiziell für eine große Steuerreform Anfang 2004 und ihre teilweise Finanzierung durch eine höhere Verschuldung. Sie seien sich einig, die beiden geplanten Steuerreformstufen 2004 und 2005 zusammenfassen zu wollen, sagte Parteichef Reinhard Bütikofer gestern nach dem grünen Parteirat.
Die Grünen bekennen sich damit erstmals eindeutig zu dem von Bundeskanzler Gerhard Schröder und Finanzminister Hans Eichel (SPD) ausgegebenen Ziel, mittels Steuersenkung eine kräftige Konjunkturspritze zu geben. Bütikofer ließ im Gegensatz zu bisherigen Stellungnahmen grüner Politiker auch die Bereitschaft erkennen, einen Teil der Steuersenkung mit neuen Schulden gegenzufinanzieren. Es sei „schlicht unrealistisch“, so Bütikofer, eine Deckungslücke im Bundeshaushalt von über 30 Milliarden Euro durch Einsparungen zu bezahlen. Das Vorziehen der Steuerreformstufe 2005 dürfe jedoch nicht „insgesamt auf Pump“ finanziert werden. Um die zusätzlichen Einnahmeausfälle von 7 bis 9 Milliarden Euro im Bundeshaushalt teilweise zu decken, nehmen die Grünen Zuflucht zu „Erlösen aus Veräußerungen und Privatisierungen“. Was damit gemeint sein könnte, wollte Bütikofer nicht erläutern. Der Bund hält zum Beispiel noch ein großes Aktienpaket an der Deutschen Telekom AG, dessen Wert im Zuge des Börsencrashs aber stark gesunken ist.
Bisher hatten sich grüne Politiker vielfach kritisch zum Vorziehen der Steuerreform geäußert. Finanzexpertin Christine Scheel und Fraktionschefin Krista Sager hatten Zweifel an der Finanzierbarkeit. Dies ist nun genauso vom Tisch wie die Absicht von Sagers Kollegin Katrin Göring-Eckardt und Fraktionsvize Reinhard Loske, durch den Abbau von Subventionen Milliarden Euro einzusparen und so die Deckungslücke im Bundeshaushalt zu verkleinern.
Nach einer Präsidiumssitzung der SPD kündigte Generalsekretär Olaf Scholz gestern an, dass die Bundesregierung ein Vorziehen der Steuerreform vor allem über höhere Schulden finanzieren wolle. Im Laufe der Woche solle für die Agenda 2010, den Haushalt 2004 und das Vorziehen der Steuerreform ein Gesamtkonzept vorgelegt werden. Der Abbau von Subventionen spielt für die Bundesregierung dagegen inzwischen eine geringere Rolle. Bei einem Besuch im Kölner Ford-Werk sagte Bundeskanzler Schröder, die Steuerbefreiung für Nacht- und Feiertagsarbeit solle erhalten bleiben.
HANNES KOCH