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Archiv-Artikel

Es blüht so früh

Es sprießt und blüht, dass es eine wahre Freude ist. Doch was will uns das Blütenfest sagen? Ist es nur ein Ausrutscher oder der Beleg für den Blume gewordenen Klimawandel im eigenen Garten? Die ExpertInnen sind sich nicht recht einig

von Eiken Bruhn

Der „Big Blüh“ (SZ-Magazin), die von Gärtnern sehnsüchtig erwartete Rosenblüte, beginnt in diesem Jahr ungewöhnlich früh. Statt im Juni öffnen sich zumindest in städtischen Gegenden bereits im Mai die Knospen. Ein kleiner Ausrutscher? Oder der Blume gewordene Klimawandel?

Schluss mit der Spekulation, denn eindeutige Antworten liefern die Daten über Blütebeginn und Vegetationsverlauf, die rund 1.400 ehrenamtliche Phänologen (Phänologie = Lehre von den Erscheinungen) das ganze Jahr über an den Deutschen Wetterdienst melden. Während das erste 1936 gegründete deutsche Beobachtungsnetz der „Sicherung der Volksernährung“ diente, nutzen heute Reiseunternehmen, Ökologen und Klimaforscher die Datenbank.

Wann die Pflanzen aufblühen, wann sich Früchte bilden und wann sich die Blätter verfärben – in einer Art Menstruationskalender für Blumen notieren die Phänologen den Zyklus ausgewählter Pflanzen. Buschwindröschen, Holunder, Schlehe – die Emsländerin Ingeborg Hagspihl lässt sie nicht aus den Augen. 1985 hat die heute 62-Jährige die Arbeit von ihrem Vater übernommen, der wiederum 1951 mit der Beobachtung begonnen hatte. Für sie ist klar zu erkennen, dass sich die Vegetationsperioden verschoben haben.

Auch der Hamburger „Forsythien-Kalender“ belegt diese These. Seit 1945 werden die Büsche an der Lombardsbrücke über die Alster daraufhin kontrolliert, wann sich die gelben Blüten öffnen. Er sei selbst erstaunt, wie stark die Schwankungen sind, sagt der 64-jährige Jens Iska-Holtz, der seit 20 Jahren den Alster-Forsythien zur Seite steht. Im Mittel hat sich deren Blütebeginn, der zugleich den phänologischen Frühlingsanfang markiert, um einen knappen Monat nach vorne verschoben. Iska-Holtz verbindet mit diesem Datum nicht nur den Startschuss für Pollenflug und Frühlingsgefühle. Als Grundstücksverwalter zieht er auch einen ganz pragmatischen Nutzen aus seinem Hobby: „Dann kann mit dem Betonschütten begonnen werden.“ Ob sich jedoch ein Klimawandel mit seinen Daten belegen lässt? „Da bin ich vorsichtig.“

Ganz und gar nicht vorsichtig ist der Berliner Agrarmeteorologe Frank Chmielewski, der ein europaweites Phänologie-Beobachtungsnetz koordiniert. „Die Vegetationsentwicklung ist um zwei Wochen verfrüht.“ Seine Analysen belegen danach einen direkten Zusammenhang zwischen den „Zufrühblühern“ und der kontinuierlichen Temperaturerhöhung seit Ende der 80er Jahre.

Doch nicht alle Gärtner schenken diesen Beobachtungen Glauben. „Nichts Ungewöhnliches“ hat Gärtnermeister Volker Köpcke vom Botanischen Garten in Hamburg in diesem Jahr festgestellt. Schwankungen seien normal. „Die Leute glauben immer, da stimmt etwas nicht, wenn mal etwas besonders früh blüht.“ Auch Hartmut Cleven, Leiter des Lehr- und Versuchsgartens der Bremer Gartenfreunde, ist zurückhaltend. Als Grund fürs Frühblühen vermutet er vielmehr die Trockenheit in März und April, die die Rosen zur Notblüte animiert. „Die Pflanze denkt, sie würde sterben und bildet reichlich Blüten.“