: „Frauen sind von Natur aus anders“
Und dafür müssen sie geschätzt werden, meint Kardinal Georg Sterzinsky. Stellen will er künftig bevorzugt mit Frauen besetzen. Zu konfrontativ soll es bei der Gleichberechtigung aber nicht zugehen. Es gilt: Kontinuität, keine Sprünge
taz: Kardinal Sterzinsky, in den pastoralen Leitlinien sprechen Sie von erheblichen Folgeschäden, sollten die Frauen nicht ihren Platz in der Kirche finden.
Kardinal Georg Sterzinsky: Die Frauen wenden sich enttäuscht ab. Das ist ein Schaden für die Kirche, aber auch für die Frauen selbst. Sie haben in ihrem Glauben nicht den Halt an der Glaubensgemeinschaft. Und eine reine Männerkirche wollen wir nicht haben.
Treten diese enttäuschten Frauen aus der Kirche aus?
Ich denke vor allem an das Nachlassen des Engagements. Man engagiert sich nur dann, wenn man die Akzente des Engagements mitbestimmen kann. Die Frauen haben das Gefühl, „Befehlsempfänger“ zu sein, denen die Männer sagen, was sie in der Gemeinde zu tun haben. Dann ist es auch nicht verwunderlich, dass die Frauen sich anderen Gruppen anschließen, wo ihre Lebenserfahrung gefragt ist und ihre Anliegen berücksichtigt werden.
Was fehlt den Frauen in der Kirche?
Sie stellen bedrückt fest, dass Entscheidungen noch immer maßgeblich von Männern gefällt werden. In den Kirchenvorständen etwa, die über die Finanzen entscheiden, finden sich überwiegend Männer. In den Pfarrgemeinderäten, wo es um die Seelsorge geht, hat sich das etwas verändert: Wo einzelne Menschen soziale Dienste an anderen leisten, sind überwiegend Frauen aktiv. Mir scheint, das wollen die auch weiterhin tun. Aber sie haben das Gefühl, in diese Aufgaben gedrängt zu werden, ohne Anerkennung.
Wo sehen Sie Möglichkeiten, diese Strukturen zu durchbrechen?
Wenn sich Frauen und Männer mit gleicher Qualifikation bewerben, dann werden wir die Frau vorziehen. Das ist deswegen nicht selbstverständlich, weil immer noch der Verdacht besteht, Frauen stünden wegen ihrer Mutterschaft nicht ununterbrochen zur Verfügung. Zudem bewerben sich sehr viel weniger Frauen für leitende Positionen.
Wo sehen Sie die Gründe?
Das ist von unten und von oben zu erklären. Von oben insofern, als die Traditionen in den Kirchen ja doch sehr stark sind. Da gibt es ein langes Beharrungsvermögen. Auch die Frauen sind lange Zeit zufrieden gewesen und aus Gewohnheit nicht auf Veränderung aus. Wenn sie aber Veränderungen wollen, wirken sie oftmals etwas konfrontativ. Wenn sie zu feministisch fordern, dann erreichen sie das Gegenteil von dem, was sie – berechtigterweise – wollten. Ich setze auf Kontinuität, nicht auf Sprünge. Und natürlich gibt es grundsätzliche Erwägungen: Frauen sind gleichwertig, deshalb gleichberechtigt, aber doch verschiedenartig.
Was meinen Sie mit „verschiedenartig“?
Eine Frau wird ein Amt nicht nur wegen einer anderen Herkunft oder einer anderen Berufsausbildung anders gestalten, sondern auch weil eine Frau sich von Natur aus anders verhält. Sie hat etwas, das der Mann nicht hat. Und sie hat manches nicht, das der Mann hat. Aber dieses Andersein zu schätzen ist die Voraussetzung.
Bleibt die Kirche nicht von Männern dominiert, solange das Priesteramt Frauen verschlossen bleibt?
Das Priesteramt soll eigentlich nur ein Dienst sein. Auf Diskussionen ist immer wieder zu hören: Wir wollen an der Macht teilhaben. Aber wer an der Macht teilhaben will, der soll nicht Priester werden. Wenn Priester an Entscheidungen beteiligt werden, üben sie keine Macht aus, sondern tun einen Dienst.
Wie kann man das Ehrenamt stärken?
Indem man die Anerkennung mindestens mit einem Zertifikat ausdrückt. Wir hoffen, dass das Ehrenamt in Zukunft auch renten- oder versicherungsrelevant wird.
Wurde die Gendergerechtigkeit in den pastoralen Leitlinien mit Überraschung aufgenommen?
Erstaunlicherweise nicht. Vielleicht deswegen, weil ich immer gesagt habe, dass das Thema alle angeht.
INTERVIEW: WIBKE BERGEMANN