: Boten sind an Nachricht Schuld
Die Affären des Walter Wellinghausen: Zahlreiche Ermittlungsverfahren gegen Hamburger Journalisten, aber nicht gegen den Staatsrat der Innenbehörde
Gegen zahlreiche Journalisten in Hamburg wird „im Zusammenhang mit ihrer beruflichen Tätigkeit“ von der Staatsanwaltschaft ermittelt. Das räumte der Senat gestern in seiner Antwort auf eine kleine Anfrage von SPD-Fraktionsvize Michael Neumann zu den Affären des Innen-Staatsrats Walter Wellinghausen ein. Zugleich erklärte er sich außerstande, eine genaue Zahl zu nennen: „Eine Einzelfallauszählung“, heißt es vom Senat, „ist in der zur Verfügung stehenden Zeit mit vertretbarem Verwaltungsaufwand nicht möglich.“
Neumann ist entgeistert, denn für die Beantwortung einer kleinen Anfrage stehen laut Geschäftsordnung der Bürgerschaft sieben Tage zur Verfügung: „Es kann nicht sein“, so sein Kommentar, „dass gegen so viele Journalisten ermittelt wird, dass die Staatsanwaltschaft das in einer Woche nicht zusammenzählen kann.“
Neumann hatte weitere Details zu der Spionage-Affäre in Erfahrung bringen wollen. Gegen SPD-Pressesprecher Christoph Holstein wird wegen des Verdachts ermittelt, eine Sekretärin der Innenbehörde zum Verrat von Dienstgeheimnissen angestiftet zu haben. Da Teile der Ermittlungsakte an die Bild-„Zeitung“ lanciert worden waren, stellte er seinerseits Stafanzeige gegen Unbekannt wegen des Verdachts des Verrats von Dienstgeheimnissen (taz berichtete).
Wellinghausen hat inzwischen ein Gespräch mit einem Journalisten in zeitlichem Zusammenhang mit einer Veröffentlichung zu diesem Thema eingeräumt. Ob ein Treffen mit dem Bild-Autoren unmittelbar vor dessen Veröffentlichung stattfand, „kann nicht mehr sicher festgestellt werden“, antwortet der Senat auf eine entsprechende Frage Neumanns.
Die nächste Frage aber, ob bei diesem Gespräch, wenn es denn eines gab, über die so genannte Spionage-Affäre gesprochen worden sei, wird mit einem klaren „Nein“ beantwortet. „Ja, was denn nun?“, fragt sich Neumann. Und wundert sich umso mehr, dass die Staatsanwaltschaft mit Ermittlungen gegen Journalisten offenbar so ausgelastet ist, dass sie nicht mehr der Frage nachzuspüren vermag, wie die Ermittlungsakte an Springers Revolverblatt gelangen konnte. „Beunruhigend“ findet auch Holsteins Vorgesetzter, SPD-Landeschef Olaf Scholz, die Antwort des Senats. Er befürchtet eine „schleichende Veränderung der politischen Kultur“ in Hamburg.
In der Affäre um die Honorarzahlungen eines Hamburger Arztes von monatlich 4600 Euro an den Staatsrat will GAL-Fraktionsvize Christian Maaß morgen in der Bürgerschaft Wellinghausen auf den Zahn fühlen. „Das hat sizilianische Züge“, so der Grüne. Die Regierung hingegen kümmern des Staatsrats Nebeneinkünfte nicht: „Der Senat hat sich mit keinem Wort damit befasst“, so dessen Sprecher Christian Schnee. sven-michael veit