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Archiv-Artikel

Rotes Kreuz: der Folterbericht

Das Rote Kreuz bestätigt systematische Folter in Iraks Gefängnissen. US-Außenminister Powell und Sicherheitsberaterin Rice waren spätestens seit Januar über Verhörpraktiken unterrichtet

GENF/LONDON ap/dpa/epd ■ Vertreter des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz sind nach einem internen Bericht im vergangenen Oktober Zeugen systematischer Folterungen im Bagdader Abu-Ghraib-Gefängnis geworden. Dabei seien sie eindeutig zu dem Schluss gelangt, dass es sich bei den Misshandlungen nicht um willkürliche Einzeltaten gehandelt habe, heißt es in dem 24-seitigen Bericht, den die taz heute in Auszügen dokumentiert. Das IKRK in Genf hat gestern die Authentizität des Papiers, das zuerst vom Wall Street Journal veröffentlicht wurde, bestätigt, die Veröffentlichung aber bedauert.

Insbesondere kritisiert das IKRK „Brutalität“ gegen Gefangene, „physischen und psychologischen Zwang“ bei Verhören, „übermäßigen und unverhältnismäßigen Einsatz von Gewalt“, der zum Tod oder zu schweren Verletzungen führte, sowie einen Verstoß gegen die Pflicht, Angehörige von Verhaftungen zu unterrichten. Bei Gefängnisunruhen habe das Wachpersonal leichtfertig geschossen.

Auch US-Außenminister Colin Powell und US-Sicherheitsberaterin Condoleezza Rice sollen spätestens seit Mitte Januar 2004 von den Misshandlungen gewusst haben. IKRK-Präsident Jakob Kellenberger habe beide während eines Besuchs in Washington eindringlich vor den US-Methoden gewarnt, bestätigte der Londoner IKRK-Sprecher, Roland Huguenin.

„Wir haben es hier mit einem breit angelegten System zu tun und nicht mit individuellen Handlungen“, bestätigte der zuständige Direktor des Internationalen Roten Kreuzes, Pierre Krähenbühl. Er bekräftigte auch, dass seine Organisation die US-Regierung schon zwischen März und November 2003 über die Vorfälle unterrichtet habe. Der im Februar 2004 vorgelegte Bericht sei dann eine Zusammenfassung der vorherigen Informationen gewesen.

Nach dem britischen Premierminister Tony Blair hat sich nun auch sein Verteidigungsminister Geoff Hoon entschuldigt. Die im IKRK-Bericht genannten Fälle, die britische Truppen betreffen, seien lange ausgeräumt, sagte Hoon gestern im Unterhaus.

US-Präsident George W. Bush stellte sich gestern in einer Stellungnahme im Pentagon offensiv hinter seinen Verteidigungsminister Donald Rumsfeld. Der sei ein ganz großartiger Minister, sagte Bush, der im Übrigen lediglich die bekannten Positionen der US-amerikanischen Regierung wiederholte. WG, PKT

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