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Archiv-Artikel

„Ich bin, wie ich bin“

Max war bis vor kurzem ein Schüler mit einer exzellenten Stimme. Nun singt er für Deutschland beim Grand Prix in Istanbul. Ganz cool. Wie geht es ihm wirklich?

INTERVIEW JAN FEDDERSEN

taz: Sie wirkten selbst während der ersten Proben ziemlich cool. Soll dieser Eindruck täuschen?

Max: Nein, gar nicht. Ich finde es einfach nur toll hier. Meine Freundin ist mit dabei, die Redaktion …

das Stefan-Raab-Team?

Ja, die sind klasse. Wir waren kaum angekommen, da sagte Stefan im Hotel, ey, wir mieten jetzt einen Heli und fliegen mal über die Stadt. Und zwei Tage später fliegen wir hier in den Himmel.

Max aus der Provinz in der weiten Welt?

Nein, das nicht, ich war ja schon mit meinen Eltern viel auf Reisen. Voriges Jahr war ich das erste Mal in der Türkei und in Teilen von Afrika. Es ist nur so, dass ich vor ein paar Wochen nicht mal geglaubt habe, dass ich beim Casting von SSDGPSS überhaupt beachtet werde. Und nun flieg ich mit dem Helikopter über Istanbul. Echt krass.

Keine Chance beim Casting – weil Sie sich zu hässlich fanden, wie Sie mal erzählt haben – trotz der guten Stimme?

Das hab ich gesagt, ja. Aber ich hab mit meinem Aussehen kein Problem, nur wird einem das erzählt, dass man auf eine bestimmte Weise aussehen muss. Und dann dachte ich, na, bei „Deutschland sucht den Superstar“ geht es nur um Schuhe und Klamotten. Ich bin wie ich bin.

Äußerlichkeiten spielen eine begrenzte Rolle?

Klar gucke ich, was so Mode ist. Ich zieh das an, was die meisten Jugendlichen in Deutschland so mögen. Deshalb würde ich nie im weißen Frack Musik machen, das passt nicht zu mir. Ich mach nur Kompromisse, die nicht meinen Charakter berühren.

Gerade deshalb mögen Sie viele Menschen: ein junger Mann, der nicht so gelackt aussieht.

Danke, das freut mich. Nee, gelackt … nicht meine Sache. Steh ich nicht drauf.

Sie könnten Mitglied von Attac sein.

Von was?

Der Organisation der Globalisierungsgegner.

Komisch. Soll das alternativ sein?

Ja.

Bin ich aber nicht. Ich bin nicht mehr oder weniger politisch interessiert als andere in meinem Alter auch. Ich schaue morgens gern „Morgenmagazin“ und Nachrichten sehr gern.

Würden Sie in einer Partei mitmachen?

Nein. Vielleicht irgendwann mal, aber jetzt nicht. Dafür bin ich viel zu arg auf Freizeit fixiert, auf Äktschn, auf Motocross fahren oder Klettern oder so was.

Sie sprachen neulich von Toleranz, die Sie in Ihrem Heimatort Krenkingen erfahren haben.

Des stimmt.

Was müssen wir uns darunter vorstellen?

In Krenkingen konnte man jeden Blödsinn machen. Und es gibt keine Intrigen im Dorf, jeder grüßt jeden, keiner zeigt einen an, wenn man mal ohne Helm auf dem Motorrad fährt. Ein kleines Paradies einfach. Da würde ich später gern wieder hinziehen.

Ihre Freundin ist dunkelhäutig – gab es deshalb nie Gerede?

Nie. Überhaupt nicht. Ich persönlich hatte noch nie Probleme mit Ausländerfeindlichkeit.

Aber Sie wissen, dass Rassismus existiert?

Natürlich. Brauchst ja nur mal die Nachrichten anschauen, wenn Asylantenheime überfallen werden. Nun war ich noch nie in solchen Gebieten, wo das passiert. Wir beide wurden noch nie damit konfrontiert, obwohl wir schon viel unterwegs sind.

Sie berichteten, Istanbul habe einen besonders schönen Klang, wenn der Muezzin zum Gebet ruft. Könnten Sie sich eine Moschee in Krenkingen vorstellen?

Der Ort ist doch viel zu klein, liegt viel zu weit im Wald drin. Der Fall würde nie eintreten.

Und theoretisch?

Theoretisch ist immer eine gute Frage. Ich glaube, die Leute würden das tolerieren.

Sie wären gern Pädagoge geworden?

Das war ein kurzer Anflug von einem Berufswunsch. Ein Freund von mir arbeitet in so einer Einrichtung, ein anderer Freund macht dort Praktikum, und weil wir uns als Freunde sehr, sehr gut verstehen und uns gut mit anderen Jugendlichen zusammentun können, dachte ich, wäre geil, wenn wir später mal so was machen würden, einen Bauerhof.

Weshalb ein Bauernhof?

Weil die Jugendlichen dort in einer guten Atmosphäre arbeiten können. Wo man so ’ne Vorbildfunktion hat und eine Riesenverantwortung. Weil man sieht, wie arg die Jugendlichen sich an solchen Leuten festklammern, die sie betreuen. Oder sich abwenden, wenn sie das schlecht machen.

Sie hätten dafür studieren müssen.

Es ging nicht um ein Studium, sondern nur um die Arbeit.

Was ist für Sie eine gute Erziehung?

Dass die Kinder machen können, was sie wollen. Und dass sie aus ihren eigenen Fehlern lernen können. Aber zu antiautoritär finde ich auch net gut. Von einem Bekannten hörte ich, dass ein Kind im Supermarkt mit dem Wagen immer gegen ein Regal donnerte. Die Mutter hat das nicht geschert. Irgendwann hat der Freund sich gedacht, Mensch, warum macht die Mutter nix. Er hat ihr was gesagt, aber die meinte, nö, mein Kind weiß, was es tut.

Würden Sie Grenzen setzen?

Ja klar, nicht im Bösen, aber es gibt ja Regeln. Und es kommt auf die Gegend an, auf die Familie, auf die Verhältnisse. Jeder Mensch hat andere Verhältnisse und ist anders veranlagt. Jedes Kind hat doch einen anderen Charakter. Ich finde, gemeinsame Werte sind wichtig.

Welche meinen Sie?

Das, was man früher Tugenden genannt hat. Mut zeigen. Das ist ganz arg wichtig. Ich mein mit Mut nicht Gewalt, es kann auch gut sein, wegzulaufen. Das wäre auch Mut. Mut ist nicht, einem anderen das Nasenbein zu brechen.

Sind Sie in Ihrer Familie zum Miteinander erzogen worden?

Zwangsläufig bei sechs Kindern und den Eltern. Wir kommen auch jetzt gut miteinander zurecht, alle Feiertage, Geburtstage werden zusammen gefeiert. Jedes Wochenende miteinander frühstücken, das ist toll. Wir sind eine ziemlich große Familie.

Was hat man Ihnen auf den Weg gegeben?

Selbstbewusstsein, aber keine Arroganz. Und neben Courage …

Mut?

Nein, Courage kann ja auch weglaufen bedeuten, nicht mitzumachen. Und Freundlichkeit ist wichtig, Toleranz – egal, wen man kennenlernt, egal, in welchem Land. Egal, was man von ihnen vorher gehört hat. Vorurteile sind schlecht. Klingt das zu schmalzig?

Denken Sie es selbst?

Nee, vielleicht ein bisschen zu idealistisch. Aber ich seh das so. Ich finde, bei uns in Deutschland ist es freundlicher, als man denkt. Es heißt ja immer, die Kriminalität steigt, aber meine Erfahrung ist, dass die Leute viel freundlicher miteinander umgehen, als man in den Zeitungen liest.

Tut es Ihnen gut, dass Ihre Freundin Nazu hier in Istanbul mit dabei ist?

Oh ja. Diese Erfahrung mit dem Grand Prix, das schweißt zusammen.

Sie spielt in der Öffentlichkeit keine Rolle.

Das ist gut so. Sie ist aber meist dabei. Ich finde es gut, wenn sie nicht mit im Bild ist, wenn die Kameras angehen. Ich will nicht, dass sie auch überall angesprochen wird, ich möchte ihr das ersparen. Kein Klatsch, kein Tratsch. Keine bloßstellende Fotos, die angeblich beweisen, dass meine Freundin und ich nach der Berliner Vorentscheid wie die Geistesgestörten geknutscht hätten.

Haben Sie?

Selbst wenn, was geht das die Leute an. Wir beide haben uns nur gefreut, dass wir uns wieder hatten.

Kurzum: Sie haben keine guten Erfahrungen mit der Presse gemacht?

Doch, doch, aber mit manchen Blättern nicht. Die Gegendarstellung in der Bild-Zeitung kommt ja jetzt. Man kann sich also wehren.

Hat sich die Geschichte über die angebliche Zechprellerei in der Türkei auch im privaten Kreis ausgewirkt?

Ja, sicher. Das ist schrecklich, wenn einen die eigene Oma anruft und sagt (spricht in alemannischem Dialekt): Stimmt des, Max, i hab grad in der Bild- Zeitung g’lesen, oder, Max, i hab g’hört, du hast net in de Türkei bezahlt, des macht man doch net. Dann hab ich ihr erklärt, dass das nicht stimmt. Sie meinte, ach, des dacht i mia schon.

Die Missverständnisse haben sich aufgeklärt?

Klar, konnte sich ja keiner vorstellen. Aber das ist schon hart, wenn man aus dem eigenen Umfeld so hört, hey, das macht man nicht, wieso klaut ihr da Getränke. Da find ich ganz fies und gemein, wenn das ins private Umfeld umschlägt. Ich bin viel vorsichtiger geworden.

Wird sich nicht durch den Eurovisions-Auftritt am Samstag Ihr Leben noch mehr verändern?

Da bin ich sicher. Wobei, den Eurovision Song Contest zeichnet nicht aus, dass gewinnt, wer am besten singt, sondern was momentan am angesagtesten ist und auch nur bei denjenigen, die Grand Prix schauen – und das sind ja auch bei weitem nicht alle.

Nervt es Sie allmählich, auf Ihre geschlossenen Augen während eines Auftrittst angesprochen zu werden?

Ein wenig. Stefan sagt aber immer: Mach, was du gut findest.

Warum gucken Sie denn nicht in die Kameras?

Weil ich mich sonst so beobachtet fühlen würde.

Was wäre, würden Sie gewinnen?

Wahnsinnig schön wäre das. Ich würde mich tierisch freuen, das Schönste, was passieren könnte. Da mach ich mir aber nicht so viel Hoffnungen.

Haben Sie die Songs Ihrer Konkurrenz auf der Rechnung?

Nein, ich werde sie wie die allermeisten Zuschauer am Abend das erste Mal hören. Ich rechne mit nichts. Ich versuche zu gewinnen, ja. Aber das ist kein Kampfsport.

Ist da ein kleiner Widerwille gegen einen Sieg herauszuhören?

I wo, ich will nur sagen, dass ich singe, wie ich eben singe. Ich befasse mich nicht damit, wie man mich einordnet.

Keine Party geplant nach Istanbul?

Bloß nicht. Ich genieße das Heute. Heute ist es geil.