Rüstung trotz Konjunkturkrise

ILA sorgt für gute Stimmung. Auch bei Rheinmetall ist die Abteilung „Defence“ voll im Plan. Konzerne wünschen sich eine europäische Verteidigungsagentur

BERLIN taz ■ Deutschlands Rüstungsindustrie gefällt sich gut in diesen Tagen: Während auf der Internationalen Luft-und Raumfahrtausstellung (ILA) am Berliner Flughafen Schönefeld gestern Nachmittag das erste Serienmodell des Eurocopter-Hubschraubers NH 90 präsentiert wurde, feierte am Vormittag der Rheinmetall-Konzern auf seiner Hauptversammlung einen Jahresüberschuss von 68 Millionen Euro für 2003 – und ein „organisches Wachstum um fünf Prozent im Bereich Defence“, wie die Rüstungsproduktion hier vornehm heißt.

Auch im laufenden Geschäftsjahr ist „Defence voll im Plan“, so Rheinmetall. Das Ergebnis nach Steuern der im MDAX gelisteten Aktiengesellschaft lag im ersten Quartal 2004 mit 12 Millionen Euro deutlich höher als die vergleichsweise bescheidenen zwei Millionen Euro des Vorjahres. Rheinmetall hatte 2003 den Umbau zum reinen Rüstungskonzern und Autozulieferer abgeschlossen und sich aus anderen Geschäftsfeldern zurückgezogen.

Trotz knapper Kassen in den meisten Verteidigungshaushalten läuft für die Rüstungslobby auch politisch alles nach Plan. Die vom Bundesverband der Deutschen Luft- und Raumfahrtindustrie (BDLI) pünktlich zum ILA-Beginn wieder geforderte Europäische Verteidigungsagentur soll nach Agenturmeldungen noch diesen Sommer gegründet werden. Sie soll die Beschaffung für alle EU-Staaten koordinieren und wäre Hauptansprechpartner der Konzerne. Für die Rüstungsindustrie wäre dies „der Traum“, sagt Christopher Steinmetz vom Berliner Informationszentrum für Transatlantische Sicherheit (BITS). Der deutsch-französische Luftfahrtkonzern EADS (unter anderem Airbus) habe sogar eine enge Anbindung der Agentur im Ministerrat verlangt, um „rechtsverbindliche Stückzahlen festlegen zu können“, so Steinmetz. Denn die Unternehmen ärgert, dass Aufträge wegen angespannter Haushaltslagen oft nachträglich reduziert werden.

Trotz sinkender Beschäftigtenzahlen – derzeit arbeiten in Deutschland noch rund 80.000 Menschen in der Rüstungsindustrie, Anfang der 1990er-Jahre waren es 200.000 – konnte die Branche nach BITS-Einschätzung ihre Umsätze wie ihre Position gegenüber der Politik weiter ausbauen. Der Aufschwung bahne sich seit zehn Jahren an: Damals wurden die entscheidenden Weichen für Projekte wie den Kampfhubschrauber „Tiger“ und den Eurofighter gestellt, die nun Geld in die Kassen spülen. Die Rüstungsindustrie habe außerdem bei der EU „einen Fuß in die Tür bekommen“ und sei „geschätzter Gesprächspartner“ bei der Weiterentwicklung europäischer Verteidigungskonzepte. Der Markt wird dabei immer übersichtlicher: „Frankreich und Deutschland haben bei der Luftwaffe de facto nur noch einen Ansprechpartner – EADS“, sagt Steinmetz. Habe sich ein Staat für einen Anbieter entschieden, sei man beinahe auf ewig an diesen gebunden – so wird trotz knapper Kassen gut verdient. „Ihr Geld haben die Konzerne am Ende immer bekommen.“

Da die unter Sparkuratel stehende Bundeswehr in Zukunft kaum für Umsatzsprünge sorgen wird, präsentiert sich die ILA vor allem als „Show für die Auswärtigen“, so das BITS.

Das zeigt sich auch bei NH-90-Eurocopter – laut Hersteller das größte bisher in Europa aufgelegte Hubschrauberprogramm. International liegen 325 Bestellungen vor, 80 Stück hat Deutschland geordert. 18 davon sollen nun für Rettung von Soldaten hinter den feindlichen Linien nachgerüstet werden. Ursprünglich sollen es 23 sein.

STEFFEN GRIMBERG

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