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Archiv-Artikel

Ist eine Band eine „kriminelle Vereinigung“?

Vor dem Prozess gegen „Landser“, Deutschlands bekannteste Neonazimusiker, soll ein Angeklagter „gesungen“ haben

BERLIN taz ■ „Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung“ nach Paragraf 129 sowie Volksverhetzung, Aufstachelung zu Rassenhass und zum Mord an Prominenten sowie Verherrlichung des Nationalsozialismus sind die schwerwiegendsten Vorwürfe gegen drei mutmaßliche Mitglieder der Neonaziband „Landser“. Es ist das erste Mal, dass einer Neonaziband mit dem Vorwurf „einer kriminellen Vereinigung“ der Prozess gemacht wird. Fünf mutmaßliche Bandmitglieder waren im Oktober 2001 nach langwierigen Observationen festgenommen worden.

Die drei vor dem 2. Strafsenat des Kammergerichts Berlin Angeklagten – der 37-jährige Bandchef und mutmaßliche „Rädelsführer“ Michael R., der 35-jährige Gitarrist André M. sowie der 27-jährige Schlagzeuger Christian W. aus Potsdam – wurden nach einem halben Jahr Untersuchungshaft zunächst wieder auf freien Fuß gesetzt. Mit „Verräter“-Rufen begrüßten stadtbekannte Neonazis im Publikum den Angeklagten Christian W., soll er doch bei den Vernehmungen im Gegensatz zu den Mitangeklagten „gesungen“ haben.

Während Christian W. unter seinem weißen Leinenhemd schwitzte, guckten die beiden ganz in Schwarz und szenetypischem Rockeroutfit gekleideten älteren Angeklagten unbeteiligt, als die Stationen ihrer knapp zehnjährigen Rechtsrock-Karriere verlesen wurden. Das Ziel der Band sei es gewesen, „politische Botschaften in der rechten Skinheadszene“ zu verankern und den Soundtrack zur „arischen Revolution“ zu liefern, so die Anklage. Schon 1993, ein Jahr nach der Gründung von „Landser“ im Umfeld der Ostberliner Neonazirocker „Vandalen“, habe man entschieden, „als Band in den Untergrund abzutauchen“ und Produktion sowie Vertrieb der volksverhetzenden CDs „konspirativ“ zu organisieren. Die Anklage geht davon aus, dass vier „Landser“-CDs mit Hilfe eines in- und ausländisches Netzwerks von Gesinnungsgenossen entstanden. So habe die Band für die Mitte der Neunzigerjahre produzierte CD „Republik der Strolche“ beispielsweise in einem Keller in Berlin geprobt und sei dann zur Produktion in ein Tonstudio nach Dänemark ausgewichen, das von einem mittlerweile verstorbenen deutsch-dänischen Kader der Neonazigruppierung „Blood & Honour“ betrieben wurde. In Dänemark seien dann auch die fertigen CDs zwischengelagert worden, bis sie durch den damaligen Schlagzeuger der Band, Horst S., illegal nach Deutschland eingeführt wurden.

Der Reingewinn durch den klandestinen Verkauf von 5.000 CDs soll sich auf 34.000 D-Mark belaufen haben. Bei der 1997 erstellten CD „Rock gegen Oben“ sollen Lieder wie „Rudolf Hess“ oder „Polacken-Tango“ in einem Studio in St. Paul, USA, aufgenommen worden sein. Auch Studios in London sowie CD-Presswerke in Tschechien dienten zur Herstellung der „Begleitmusik für Mord und Totschlag“.

Zuletzt halfen auch zwei mittlerweile verurteilte V-Männer bei Produktion und Vertrieb. Auch deren Rolle muss das Gericht an 17 Verhandlungstagen aufklären. 75 Zeugen sind dafür derzeit geladen. Während die Angeklagten zunächst jede Aussage verweigerten, kündigten deren Verteidiger an, insbesondere gegen den Vorwurf „der kriminellen Vereinigung“ vorgehen zu wollen. HEIKE KLEFFNER