Er kann schreiben!

Faszinierend: Ein Fußballer, der ein Buch geschrieben hat. Im Münchner Literaturhaus war Oliver Kahn mit seinem Werk „Nummer eins“ gestern die Sensation. Folgt bald die „Nummer zwei“?

AUS MÜNCHEN JOACHIM MÖLTER

Fast pünktlich um 13.31 Uhr betrat der Fußballspieler Oliver Kahn das Literaturhaus in München, er hatte lange Hosen an, das bekannte Gesicht mit der grimmigen Entschlossenheit aufgesetzt und sein erstes Buch mitgebracht, das natürlich „Nummer eins“ heißt.

Nun ist Oliver Kahn nicht der erste Sportler, der ein Buch veröffentlicht: Boris Becker hat es getan, Stefan Effenberg auch und sogar der spröde Trainer Ottmar Hitzfeld. Und trotzdem war das Medieninteresse derart groß in München, dass man gestern erst einmal den Kahn vor lauter Kameras nicht sah. Das hatte nichts mit dem Buch zu tun, es kommt ja nur zufällig in dieser Woche in die Läden, in der der Torwart des FC Bayern München und der deutschen Fußball-Nationalmannschaft sowieso unter genauester Beobachtung steht. Und so schauten alle Kamera- und Menschenaugen exakt hin, als er sein Werk tapfer vor sich hielt, in gespannter Erwartung, ob er auch dieses Ding fallen lassen würde, so wie er am Wochenende einen Fußball hatte fallen lassen (und damit Werder Bremen zur deutschen Meisterschaft verhalf) sowie anschließend seine Freundin Verena. Aber diesen Gefallen tat Oliver Kahn nicht.

Vor allem wegen der Trennung von seinem Münchner Gschpusi hatten ja viele Leute vom Medien-Boulevard im Literaturhaus vorbeigeschaut, aber so ist halt das Geschäft, wenn man so berühmt ist wie Oliver Kahn, der Titan. Na ja, ehemaliger Titan. Die Bild-Zeitung hatte das Recht auf einen Vorabdruck erworben und damit offensichtlich auch das auf die Vorabinformation über die Trennung von seiner Freundin. Das stand am Montag jedenfalls zuerst in Bild, und diese Neuigkeit drängte das Interesse am Buch in den Hintergrund – buchstäblich. Die Bild hatte die Auszüge am Freitag noch auf Seite eins angekündigt und im Sportteil groß damit aufgemacht („In mir steckt ein wildes Tier“), aber im Laufe der Tage flaute die wilde Aufgeregtheit mächtig ab. Am Mittwoch endete die Serie ganz sanft, auf 76 Zeilchen rechts unten, mit der Erkenntnis: „Das Privatleben wird eine große Herausforderung für mich bleiben.“ Kahns Privatleben war auch eine große Herausforderung für die blonden Damen von RTL, die allerdings alle daran scheiterten, obwohl sie sich sofort ans Werk machten, sobald die Schauspielerin Senta Berger mit ihrer Eröffnungsmoderation fertig war.

Oliver Kahn wehrte den ersten Angriff auf Frau und Freundin ab mit der Bemerkung, „es überrascht mich nicht, dass diese Frage als Erstes kommt. Aber das ist die Pressekonferenz zu meinem Buch, und wer im Buch etwas über mein Privatleben erwartet, der braucht es nicht zu kaufen.“ Diesbezüglich hielt er seinen Mund auch im weiteren Verlauf des Spiels tadellos dicht. Am Ende mussten sich die RTL-Reporterinnen damit zufrieden geben, Oliver Kahn mit der Frage überwunden zu haben, wie er zu seinem Spitznamen „Paul“ gekommen ist: Der stammt noch aus seiner Zeit beim Karlsruher SC, wo irgendjemand mal den Musiker Paul Kuhn (mit „u“) mit Kahn (mit „a“) assoziierte. Das war im Grunde das einzig Neue, das man am Mittwoch erfuhr.

Diejenigen, die das Buch schon gelesen haben, sagen, es sei belanglos bis langweilig, so dünn mit seinen 176 Seiten, dass Spötter schon vermuten, es müsse eine Fortsetzung geben, Titel: „Nummer zwei“, vielleicht schon nach der Europameisterschaft in diesem Sommer in Portugal, spätestens aber nach der Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland. Die Literaten unter den Zuhörern freilich waren mächtig beeindruckt von dem, was Oliver Kahn mit Hilfe einer Journalistin zu Papier gebracht hatte. Ein Fußballspieler, der über sich und sein Tun nachdenkt! Faszinierend!

Senta Berger staunte sich jedenfalls durch ihre Moderation, für die sie sich hergegeben hatte, weil sie die Hingabe Kahns an seinen Beruf so bewundert. Sie plädierte sogar dafür, Lesungen aus dem Buch an Schulen abzuhalten, weil es „so schöne pädagogische Sätze“ beinhalte und Kahn ja für Kinder eine Autorität sei. „Das Buch ist so klar geschrieben, ohne Schnörkel und uneitel – ein Buch, für das es sich lohnt, hier zu sitzen“, fand sie.

Für die Kolleginnen vom Boulevard hat es sich freilich kaum gelohnt, sich ins Literaturhaus zu setzen, obwohl sie ja sogar einmal gelobt worden sind von Oliver Kahn: „Ich verstehe ja, dass sie stur sind, das ist ja auch richtig. In meinem Buch geht es ja auch um Ziele und wie man sie erreicht.“