Italiens Premierminister gerät unter Druck

Angeblich soll die Regierung von Silvio Berlusconi über Folterungen irakischer Häftlinge informiert gewesen sein

ROM taz ■ Auch Italiens Regierung gerät nun wegen des Folterskandals im Irak unter Druck. Bis Dienstag hatte Silvio Berlusconi immer wieder versichert, seinerzeit keinerlei Informationen über die Übergriffe amerikanischer und britischer Gefängniswärter erhalten zu haben.

Doch am Dienstagabend brachte ein auf RAI3 ausgestrahltes Interview mit der Witwe eines der im November bei einem Attentat in Nassirija getöteten Carabiniere diese Version ins Wanken: Die Frau behauptet, ihr Mann habe ihr in Telefonaten von schrecklichen Zuständen in einem von US-Einheiten kontrollierten Zellentrakt berichtet, von nackten und teils übel zugerichteten Gefangenen. Außerdem habe er ihr gesagt, dass er seine Vorgesetzten informiert habe.

Seit diesem Interview jagt ein Dementi das andere. Nichts sei an dem Vorwurf dran, behaupten Regierung, Armee, Carabinieri. Auch die Witwe ruderte gestern zurück: Ihr Mann habe nichts gesehen, sondern bloß vom Hörensagen über die Zustände in den Kerkern erfahren.

Doch der Druck auf Berlusconi wird wachsen. So zeichnet sich ab, dass die Opposition ihre Spaltung in der Frage des Rückrufs der italienischen Truppen überwinden wird. Bisher fordert nur eine Minderheit am linken Rand den sofortigen Rückzug, während das Gros des „Ölbaum“-Bündnisses unter Einfluss Romano Prodis nach einer Wende im Irak unter UN-Aufsicht rief.

Schon jetzt verlangt die gesamte Opposition von der Regierung schnelle Aufklärung über etwaige Informationen, die ihr zur Folter von Irakern durch alliierte Truppen zukamen. Berlusconi jedoch weigerte sich gestern, zur Fragestunde im Parlament zu erscheinen. Bald dürfte der Irakkrieg auch zu Auseinandersetzungen auf der Straße führen. US-Präsident Bush hat für den 4. Juni einen Rom-Besuch angekündigt, um der Befreiung der Stadt durch die Alliierten vor 60 Jahren zu gedenken – und Freund Silvio im Europa-Wahlkampf zu helfen. No-Globals, Friedensgruppen, Grüne und Kommunisten haben Großdemonstrationen angekündigt.

Erneut spaltet sich die Opposition: Die gemäßigten Kräfte im „Ölbaum“-Bündnis, Francesco Rutellis Margherita und die Linksdemokraten, erklärten zwar, der US-Besuch sei „nicht opportun“, zermartern sich aber das Hirn, ob sie bei offiziellen Anlässen mit Bush dabei sein werden. In einem aber sind sie sicher: Demonstrationen gegen den US-Kriegsherrn seien der falsche Weg, weil sie Wahlkampfmunition für die Rechte werden könnten. MICHAEL BRAUN