: Schlammschlachten und Spaltungstendenzen
Wer sitzt künftig im Aufsichtsrat des Hamburger SV? In der ersten von zwei Vorstellungsrunden traten nun 16 der 20 Kandidaten vor die Vereinsmitglieder. In einem waren sie sich beinahe einig: Intern läuft nicht alles rund beim HSV
Am 25. Januar, einem Sonntag, wählen in einem Saal der Messe Hamburg die Mitglieder des Hamburger SV einen neuen ehrenamtlichen Aufsichtsrat. Der muss die Arbeit des nicht-ehrenamtlichen Vorstands kontrollieren und entscheidet über die Verlängerung der Verträge der Vorstandsmitglieder Bernd Hoffmann, Katja Kraus, Dietmar Beiersdorfer. Je einen Aufsichtsrat ins 12-Köpfe-Gremium entsenden die Amateure (Eckart Westphalen), die Senioren (Gerd Krug), Fördernde Mitglieder / Supporters Club (Björn Floberg) sowie der HSV-Ochsenzoll, der seinen Delegierten noch wählen muss. Um die acht freien Plätze bewerben sich 20 Kandidaten. 16 davon stellten sich am Samstag im „Haus des Sports“ in Hamburg-Eimsbüttel rund 300 Vereinsmitgliedern vor.
Dabei fehlten der amtierende Aufsichtsrat Willi Schulz und der Kandidat Sergej Barbarez, langjähriger Spieler. Am kommenden Donnerstag haben die Kandidaten im Hamburger Hotel Grand Elysée erneut Gelegenheit, Werbung für sich zu machen – die dortige Veranstaltung organisiert der Vereinsvorstand, die am Wochenende stellten Fördernde Mitgliede / Supporters Club, Amateure und Senioren auf die Beine.
Die Veranstaltung begann mit einer Auslosung: In dadurch zusammengestellten Gruppen – zur letzten stieß der noch aus dem Urlaub herbeigeeilte Handwerkskammer-Präsident Peter Becker – wurde dann diskutiert.
In einigen Punkten herrschte Einigkeit, so sprachen sich alle anwesenden Kandidaten dagegen aus, dass die HSV-Profis sich vom Gesamtverein trennen; einstimmig plädierten die Wettbewerber für die Beibehaltung des Universalsportvereins HSV sowie das Miteinander von Amateur-, Profi- und Leistungssport.
Es geht um die Macht
Im Grunde ging es um ein anderes Thema: das Verhältnis zwischen Vorstand, Aufsichtsrat und den Supporters, denen ein Teil des Vereins wie auch der Hamburger Lokalpresse unterstellt, die Macht beim HSV übernehmen und den amtierenden Vorstand kippen zu wollen.
Dies zu verhindern wäre demnach der Grund, warum der frühere HSV-Aufsichtsrats-Vorsitzende Udo Bandow drei Kandidaten ins Rennen geschickt habe: Jörg Debatin, Ärztlicher Direktor und Vorstandsvorsitzender des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf, der frühere Unternehmer Ian Karan sowie Alexander Otto, Vorsitzender der Geschäftsführung beim Einkaufszentrums-Betreiber ECE.
Sehr deutlich zeigte sich im Verlauf der Diskussionen, dass Otto und die anderen die Nähe der mächtigen Supporters im HSV suchen: Die erklärtermaßen „größte Fanorganisation des HSV“ stellt die überwältigende Mehrheit der Vereinsmitglieder und ohne deren Stimmen kommt keiner in den Rat.
Kandidat Manfred Ertel, politischer Journalist und Betriebsrat beim Spiegel, sieht in der Berichterstattung eines Teils der Lokalpresse „Züge eines Machtkampfs“ und einer „Schlammschlacht“. Er kritisierte eine Berichterstattung „in der es eine Grundlage für bestimmte Behauptungen nicht mehr gibt“: Es gehe nicht an, dass „ein ehemaliger Präsident Mitglieder als Idioten hinstellt“.
In der Tat hatte Ex-HSV-Präsident Wolfgang Klein die Supporters-Führung in einer Boulevard-Zeitung zunächst als „Totengräber des HSV“ bezeichnet, dann als „Idioten“. Damit zielte er unter anderem auf Johannes Liebnau, der im Außendienst der Carlsberg-Brauerei – ehemals Holsten – arbeitet und bei Spielen die Fan-Schlachtgesänge steuert; für die örtlichen Springer-Blätter ist der 26-Jährige der „Einpeitscher“. Am Samstag nun widersprach Liebnau der verbreiteten Vorstellung, die Supporters seien eine „homogene Masse“: Es gebe vielmehr „unterschiedliche Stränge“, sagte er.
„Tiefe Gräben“ im Verein
Ex-Präsident Ronald Wulff, der sich zur Wiederwahl in den Aufsichtsrat stellt, erklärte, „durch die Berichterstattung sind Gräben aufgerissen worden“. Er nannte es „ein Unding“, dass es zwei Vorstellungs-Veranstaltungen gebe: „Der Verein ist im Begriff, sich zu spalten.“ Auch der Schauspieler Marek Erhardt sprach von „extrem tiefen Gräben“: „Die Fördernden Mitglieder verstehen den Vorstand nicht, der Vorstand versteht die Fördernden Mitglieder nicht.“ Unternehmer Otto äußerte ebenfalls den Eindruck, „dass auch persönliche Differenzen zwischen den Gremien bestehen“.
Unterschiedliches wurde vorgeschlagen, um die Lage zu verbessern: Journalist Ertel plädierte für „zusammenführen, was zusammengehört“, Ex-Stadionsprecher Erhardt forderte „Kommunikation“ – und die Anwältin Katrin Sattelmair empfahl: „zusammensetzen, beschließen, nach außen vertreten, ansonsten Klappe halten“. Kandidat Jürgen Hunke blieb allein mit der Ausage, dass „der Riss nicht so tief ist“. Und ein bemerkenswertes Rezept stellte der Mediziner Debatin aus: „Wir brauchen einen Titel.“ ROGER REPPLINGER