: USA und Europa pragmatisch geeint
Die USA und die EU zeigen sich bei der Unterzeichnung von Rechtshilfe- und Auslieferungsabkommen kompromissfähig. Die EU schützt den Internationalen Strafgerichtshof und liefert keinen Verdächtigen aus, dem in den USA ein Todesurteil drohen könnte
BRÜSSEL/WASHINGTON ap/afp ■ Mit zwei Abkommen über die Auslieferung von strafrechtlich Verfolgten sowie die gegenseitige Rechtshilfe wollen die USA und die Europäische Union ihre Kooperation im Anti-Terror-Kampf verstärken. Die beiden Vereinbarungen, die gestern auf dem USA-EU-Gipfel in Washington unterzeichnet werden sollten, werden von der EU-Kommission als „Meilenstein“ bewertet.
Die Europäische Union schickte eine ranghohe Delegation zu dem eintägigen Treffen: Dazu gehören Kommissionspräsident Romano Prodi, der außenpolitische Koordinator Javier Solana sowie der griechische Ministerpräsident und amtierende EU-Ratsvorsitzende Konstantinos Simitis. Sie werden mit US-Präsident George W. Bush, Vizepräsident Dick Cheney, Sicherheitsberaterin Condoleezza Rice, Außenminister Colin Powell und anderen Kabinettsmitgliedern zusammentreffen.
Die beiden Abkommen wurden in einjährigen Verhandlungen ausgearbeitet und Anfang Juni von den EU-Justizministern gebilligt. Die Europäer setzten durch, dass die Auslieferung eines Verfolgten in die USA ausgeschlossen bleibt, wenn ihm dort die Hinrichtung droht. Auch konnten sie erreichen, dass EU-Staaten einen Verfolgten auch dann an den Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) ausliefern dürfen, wenn gleichzeitig ein Auslieferungsantrag der USA vorliegt. Dem IStGH sind sämtliche Mitglieder der EU beigetreten, nicht aber die USA.
Das Auslieferungsabkommen ergänzt die bereits bestehenden bilateralen Verträge zwischen EU-Mitgliedstaaten und den USA. Die Vereinbarung bezieht sich auf Straftaten, die mit mindestens einem Jahr Haft bestraft werden. In Artikel 13 heißt es, dass die Auslieferung in die Vereinigten Staaten allerdings nur dann möglich ist, „wenn die Todesstrafe gegen die gesuchte Person nicht verhängt wird“ oder zumindest „nicht vollstreckt wird“. Das seit 1978 bestehende Abkommen zwischen den USA und Deutschland schließt die Auslieferung bei drohender Exekution bereits aus.
In der Präambel des USA-EU-Abkommens heißt es außerdem, dass dem ausgelieferten Verdächtigen das Recht auf ein „gerechtes Verfahren“ vor einem „unparteiischen und rechtmäßig eingesetzten Gericht“ zustehe. Nach Ansicht der Bundesregierung ist damit eine Auslieferung ausgeschlossen, wenn der Verfolgte vor eines der militärischen Sondertribunale gestellt werden soll, deren Einsetzung die USA nach den Anschlägen des 11. September beschlossen hatten. Eine Sprecherin des Justizministeriums in Berlin räumte allerdings ein, dass die Passagen eine „Interpretationsfrage“ seien.
Das zweite Abkommen über die amerikanisch-europäische Rechtshilfe sieht unter anderem vor, dass gemeinsame Ermittlungsteams gebildet, Zeugen sowie Sachverständige per Video vernommen und Informationen über Bankkonten ausgetauscht werden. In das Ermessen des einzelnen EU-Mitgliedstaates bleibt es gestellt, die Weitergabe von Informationen über einen Verfolgten zu verweigern, falls diese zur Verhängung der Todesstrafe verwendet werden könnten.