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Archiv-Artikel

Wenn fordern, dann auch fördern

betr.: „Der Wahnsinn kommt“, taz vom 11. 5. 04

Im Angesicht des Arbeitslosengeldes II und der Konsequenzen daraus liegen mir und meiner Fraktion Gefühlsregungen wie „Optimismus“ völlig fern. Als wäre die Absenkung der Arbeitslosenhilfe auf Sozialhilfeniveau nicht herbe genug, werden ab 1. Januar 2005 durch die verschärfte Anrechnung von Vermögen sowie des „Partnereinkommens“ zirka 25 bis 30 Prozent der heutigen BezieherInnen von Arbeitslosenhilfe komplett aus dem Leistungsbezug herausfallen.

Das wird zweifelsohne die Armut in Berlin und den neuen Ländern verstärken und ist auch das Gegenteil eines Beitrages zur eigenständigen Existenzabsicherung von Frauen. So weit, so schlecht. Aber anders als im Artikel dargestellt, hat Hartz IV das Gesetzgebungsverfahren durchlaufen und ist durch Bundesrat und Bundestag beschlossen. Versuche, das ALG II stärker in Richtung einer wirklichen sozialen Grundsicherung auszugestalten – wie vom grünen sozialpolitischen Kongress und der BDK in Cottbus beschlossen –, wurden nicht umgesetzt. Und so werden in jedem Falle ab 1. Januar 2005 in Berlin insgesamt rund 260.000 Menschen ALG II beziehen und 30.000 bis 40.000 jeden Leistungsanspruch verlieren.

So wie es jetzt aussieht, werden sie ihr Geld (hoffentlich) pünktlich bekommen. Was sie allerdings zunächst nicht bekommen, das sind die anderen Momente von Hartz IV: Die qualifizierte individuelle Beratung und Betreuung durch FallmanagerInnen, die gemeinsame Anlaufstelle in Form von Jobcentern inklusive Schuldner- oder Suchtberatung, die Arbeits- und Bildungsangebote für jeden jungen Erwerbslosen etc. Hierfür haben weder Bundesregierung noch Bundesagentur Vorsorge getroffen. Genauso wenig wie der Berliner Senat, der im Arbeits- und Sozialressort frei nach dem Motto „Diese Klientel übernimmt ab 2005 der Bund“ drastisch einspart.

Von Optimismus also keine Spur, aber der Versuch, dass die von den Grausamkeiten Betroffenen auch ein Recht auf angemessene Beratung, Betreuung und Angebote zur Bildung und Beschäftigung haben. Wenn fordern, dann aber bitte auch fördern. Und zwar zum 1. Januar 2005 und nicht erst zum Sankt-Nimmerleinstag.

SIBYLL KLOTZ, Fraktionsvorsitzende, arbeitsmarktpolitische Sprecherin von Bündnis 90/Die Grünen im Abgeordnetenhaus